Erzählformen: Die Brunnen-Strophe (6)

Yvan Goll hat seinen bekannten Gedichtzyklus „Johann Ohneland“ auf Französisch geschrieben, einige wenige Texte daraus aber auch selbst ins Deutsche übertragen. Einer davon heißt „Johann Ohneland entdeckt den Engel“ und ist in der vierbändigen Ausgabe von Golls Lyrik, erschienen 1996 bei Argon, auf den Seiten 128 bis 133 des dritten Bandes zu finden. Ein etwas längerer Text also, ich beschränke mich daher auf die ersten vier Strophen:

 

Ich fiel aus Sterngefunkel
Der Sohn des Altair
Und fühl nun Erdendunkel
Hoch angestaut in mir

Die Kuh des Himmels brüllet
Stürzt Wolkgebirg und Damm
Mein Aug ist angefüllet
Mit eklem Erdenschlamm

Zwischen zwei engen Hüften
Wurde mein Stern gesät
Nun tief aus Erdenklüften
Schreit menschliches Gebet

Aus so versunkner Grotte
Entbindet sich das Leid
Und leiht dem nackten Gotte
Ein fleischgewirktes Kleid

 

– Und noch neun Strophen mehr; aber ich denke, man hört schon ganz gut, welchen Klang diese Strophe bei Goll hat in den 1930er Jahren?! Eigentlich sehr regelmäßig gebaut, dabei; nur in der dritten Strophe gibt es in den ersten beiden Versen eine versetzte Betonung im Verseingang, aber auch die ist ja beileibe nichts ungewöhnliches …

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