Ludwig Kosegartens „Hymne an das Eisen“
In Kosegartens Gedichtsammlung machen die Hymnen den Anfang, und wenn man die Überschriften überfliegt, fällt erst einmal nichts besonderes auf: „Hymne an die Schönheit“, „Hymne an die Liebe“, „Hymne an die Tugend“, „Hymne an die Natur“ – nichts, was man von Kosegarten und seiner Zeit nicht erwarten würde. Doch dann stutzt man: Das nächste Stück ist die „Hymne an das Eisen“! Das ist doch ein Thema, das absticht, und ein Grund, sich das Werk einmal näher anzusehen …
Los geht es, in dem für einen Hymnus typischen feierlichen Ton:
Heil dir, Mark der Natur, der gabenspendenen Erde
Stilles Erzeugnis, doch groß an Kraft und herrlich an Taten.
Nimmer rühmt‘ ich das Gold, und dein, jungfräuliches Silber,
Dacht‘ ich nimmer im Liede. Dir aber, Preis der Metalle,
Will ich Ehre verleihn, und deine Tugenden singen.
Heil dir, ältestes Kind der Gebürg! und ihr edelstes Kleinod,
Erstgeborner im Reiche der vielgestalteten Erze.
Eine handwerklich ordentliche Einleitung, finde ich – lediglich das „Dir aber“ in V4, wo man das „Dir“ gerne betonen würde und doch unbetont lassen muss, stört etwas?! In V3 gibt es einen geschleiften Spondäus zu bewundern.
Im weiteren Verlauf spricht Kosegarten nun die verschiedenen Formen und Funktionen an, die Eisen in der Natur und in der Welt der Menschen aufweist. Das Eisen in der Erde, etwa:
Bald gelüstet es dich, als Druse zu blinken. Bescheidner
Birgst du ein anderes Mal dich in unscheinbarer Stuffe;
Hm. Was eine „Druse“ ist, wusste ich noch („mit Kristallen gefüllter Hohlraum im Gestein“), aber bei der „Stuffe“, normal „Stufe“, bin ich arg unsicher – die allgemeine heutige Bedeutung scheint „erzhaltiges Gestein“ zu sein, was ja passen würde, aber die alten Lexika weichen davon teils stark ab… Versbautechnisch gesehen ist „-barer Stuffe“ jedenfalls eine Ausnahme, da hier der normale Versschluss „X x x / X x“ durch das sehr viel seltenere „X x / X x“ ersetzt wird. Das Eisen in der belebten Natur schildert Kosegarten mit Versen wie diesen:
Glanz und Heitre verleiht dein fröhlicher Pinsel der Tierwelt
Edleren Formen. Das Rad der Pfauen, des Schmetterlings Schwingen
Tauchst du in nimmer verblassende Tinten. Es danket die Taube
Dir den smaragdenen Hals, den schimmernden Fittig das Goldhuhn.
„Heitre“, laut Grimm „Klarheit“, „Glanz“, „Helligkeit“; „Tinte“, auch „Farbenton, Abstufung und Übergänge der Farben“ – ich gestehe, bei diesem Gedicht viel nachgeschlagen zu haben … Zudem zeigt sich Kosegarten hier als Freund des Chiasmus. „Glanz und Heitre“ eben auch hier! Das Eisen im menschlichen Gebrauch wird naheliegend aufgefächert, einmal die „zivile“ Nutzung:
Dein ist, friedliches Erz, die Pflugschar, welche die Scholle
Lockert, den strengeren Kloß bereitet, dass er des Samens
Goldenen Regen empfang, und ihn getreulich bewahre.
Äh, „den strengeren Kloß“?! Na gut, das lese ich nach dem Nachschlagen im Grimm mal als „schweren, zähen Boden, Erdklumpen“… Die Steigerung ist dabei ein Trick, dessen sich die Hexametristen gern bedient haben. Das Gegenstück ist inhaltlich die kriegerische Verwendung:
Dein ist, schützendes Erz, das Schwert, das das Vaterland rettet,
Dein das donnernde Rohr, mit dessen Toden die Freien
Niederschmettern der Feigen Volk in brüllender Feldschlacht.
Schon klar – nur dass die „Feigen“ eben auch über „Donnerrohre“ verfügen, was die Unterscheidung schwieriger macht … Vielleicht gerät Kosegarten ja darum im ersten Vers ins Stottern – das, das, das?! Weiter geht es jedenfalls mit dem Eisen in Kunst und Wissenschaft:
Heil dir, verschönerndes Erz, auch der Kunst, der menschlichen, mildern,
Welche den Stoffen Gestalt verleihet und Seele dem Toten;
Auch der Lieblichen jüngrer, wiewohl tiefsinng’rer Schwester,
Auch der Wissenschaft dienst du, ein ewig änderndes Werkzeug.
Ja aber?! Was ist denn das für ein Satzbau – gehört „der Kunst“ wirklich zum „dienst du“? Unverschämtheit … Ein Beispiel für dieses Dienen:
Dein der Verfinsterer Schrecken, die tausendzüngige Letter,
Welche des Weisen Wort den lauschenden Völkern verkündet
– den Völkern, die den Worten der „Verfinsterer“ allerdings noch viel aufmerksamer lauschen, fürchte ich … Aber nun ist Kosegarten am Ende angelangt, wo er den Anfang noch einmal aufnimmt:
Heil dir, Kronions Geschenk, der Gesellschaft fördernster Segen,
Erstes der Erze und Letztes! Vor deinen strahlenden Brüdern
Will ich singen dein Lob und deiner Preise gedenken!
Puh, das liest sich ja schon in diesen knappen Auszügen ziemlich abenteuerlich?! Wer sich an das gesamte Werk traut, muss sich also auf noch einiges mehr gefasst machen. Trotzdem habe ich es gerne gelesen – diese Hymnen haben einfach Schwung und Begeisterung, und da macht es dann nicht viel aus, dass manches vom heutigen Standpunkt aus doch merkwürdig bis peinlich wirkt!
Heil dir, begeisterter Dichter, der hymnischen Tons du die Welt preist!
Hmja, ich sehe ein, dass ich da noch üben muss … Gar nicht so leicht zu treffen, dieser Ton!