Das Ein-Vers-Gedicht (14)

Beim Übersetzen von Versen macht man sich unweigerlich unglücklich – tut man dem Inhalt Genüge, geht das nur unter Abstrichen bei der Form, versucht man aber, der Form zu genügen, verbiegt sich der Inhalt!

 

Parturient montes, nascetur ridiculus mus.

 

Das ist ein ziemlich bekannter Hexameter von Horaz, der, da jeder die Geschichte kennt, für sich allein stehen kann und gemeinhin so übersetzt wird:

 

Es kreißen die Berge, geboren wird eine lächerliche Maus.

 

Was ja auch passt, nur: der horazsche Hexameter ist so vollständig verloren gegangen …

Versucht man, den zu erhalten, und das meint dann ja auch den einigermaßen unüblichen Gleichklang am Schluss samt des einsilbigen Schlussworts, liest sich das so:

 

Schauet den kreißenden Berg, wie er aufschwillt! Komm doch heraus, Maus.

 

Jedenfalls in der Übersetzung von Johann Heinrich Voss. Da ist es sicher ein Hexameter, und der Versschluss ist nachgebildet, mit Gleichklang und allem; aber dafür hat der Inhalt heftig leiden müssen!

Tja: Wie man’s macht, macht man’s falsch.

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