Erzählverse: Der trochäische Vierheber (41)

In Friedrich August Gottholds 1820 erschienenen „Kleinen Schriften über die deutsche Verskunst“ findet sich auch ein „Entwurf zu einer Anweisung, in der Verskunst zu unterrichten“.

Was meint: in der Schule unterrichten. Und dann eben nicht nur die Theorie der „Verskunst“, sondern auch ihre Praxis!

Mit der Theorie möchte Gotthold früh beginnen: „Mit der Metrik kann man elfjährige Knaben, also etwa die vierte Klasse, ohne Bedenken beschäftigen.“

Die Praxis will er so angehen: „Auch wird man wohl daran tun, wenn man den Anfänger nicht metrische Übersetzungen machen, noch seine eigenen Gedanken, sondern Fabeln, Erzählungen, Idyllen und dergleichen aus Prosa in Verse bringen lässt.“

Beispiele aus Gottholds eigenem Unterricht finden sich in der vierten Beilage. „Den Tertianern diktierte ich folgende Fabel:

Die Hasen, welche einst gegen die Adler Krieg führten, luden die Füchse ein, ihre Bundesgenossen zu werden. Die Füchse aber sagten: Wir würden euch gern beistehen, wüssten wir nicht, wer ihr seid, und wer eure Feinde sind.

Diese haben sie teils in Trochäen und Iamben, teils in Hexameter verwandelt.“

Von den weiter angeführten trochäischen Texten der Schüler gebe ich nur einen:

 

Als die Hasen mit den Adlern
Einst in einem Kriege lebten,
Sprachen jene zu den Füchsen:
Werdet unsre Kampfgenossen,
Und verbindet
Euch in diesem Krieg mit uns.
Als die Füchse dieses hörten,
So erwiderten sie jenen:
Gerne wollten wir euch dienen,
Doch wir kennen
Eure Feinde und auch euch.

 

Gottholds Bewertung: „Gegen das Silbenmaß ist nicht oft verstoßen; aber die Wort- und Versfüße fallen nicht selten zusammen, und an Hiatus und Härten fehlt es auch nicht.“

Ach ja … Ich finde das schon gut gemacht für einen, äh, Vierzehnjährigen?!  Die drei Schluss-Verse sind besonders fein! Und man stelle sich derlei mal in einem heutigen Gymnasium vor. Oha …

Die Hexameter-Versuche der jungen Menschen stelle ich in einem eigenen Eintrag vor, zusammen mit dem Versuch des Lehrers!

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