Erzählverse: Der Hexameter (97)

Die Hasen, welche einst gegen die Adler Krieg führten, luden die Füchse ein, ihre Bundesgenossen zu werden. Die Füchse aber sagten: Wir würden euch gern beistehen, wüssten wir nicht, wer ihr seid, und wer eure Feinde sind.

– Diese Fabel haben zu Beginn des 19. Jahrhunderts Friedrich August Gottholds Schüler nicht nur in trochäische und iambische Verse übersetzt, sondern auch in Hexameter! Einer der von Gotthold angeführten Schülertexte liest sich so:

 

Einst, da die Adler Krieg mit den Hasen zu führen beschlossen,
Wählten diese die Füchse sich aus zu Bundesgenossen.
Aber die Füchs‘ antworteten ihnen folgendermaßen:
Gern und ohne Bedenken würden wir Hilfe euch leisten,
Wüssten wir nicht, wer ihr, und wer euere Gegener wären.

 

Hm. Zwei gute Verse zum Einstieg – nur dass sie sich reimen; unschicklicherweise?! Beim dritten ist die Zäsur zumindest undeutlich, beim vierten schlicht falsch; das „euere“ des letzten Verses schien damals nicht unüblich, das „Gegener“ klingt heutzutage aber arg schräg! Davon abgesehen bewegen sich gerade die letzten beiden Verse schön?!

Gerne kämen wir euch und ohne Bedenken zur Hilfe,

– das wäre eine andere Möglichkeit, vielleicht?! Mit passendem Einschnitt. Auch wäre zumindest in einem Vers die leidige Endung „-en“ vermieden.

Gotthold selbst hat die Fabel geleichfalls in Verse gebracht! Hier seine Fassung:

 

Als vor Zeiten die Hasen sich rüsteten gegen die Adler
Und zum Bunde die Füchs‘ aufforderten, hieß der Bescheid so:
Wahrlich, wir wären bereit, euch Bundesgenossen zu werden,
Wüssten wir nicht zu gut, wer ihr, wer euere Feinde.

 

„Nicht ganz geraten“ nennt Gotthold die eigenen Verse; aber selbstständiger als die Verse seiner Schüler sind sie selbstredend. Er braucht nur vier Hexameter, die gegebenen Schülerproben haben teilweise acht Verse! Auch ein „geschleifter Spondäus“ nach vosschem Vorbild ist zu hören im zweiten Vers, und ein bukolischer Einschnitt, und ein Hiat. Der letzte Vers hat wieder das „euere“; das fehlende „seid“ hätte Gotthold hinter „ihr“ ergänzen können, aber wie ich ihn einschätze, war er nach griechischem Vorbild kein Freund der weiblichen Zäsur im vierten Fuß … Und außerdem muss dann ja auch das zu „Feinde“ gehörende „sind“ Platz finden, was knifflig ist.

Bleibt die Frage, ob diese Hexameter-Fassung einen Gewinn bedeutet gegenüber der ursprünglichen Prosa-Fassung. Hm. Gefühlt eher nicht – noch fehlt ein wenig die schlichte Selbstverständlichkeit, die die Fabel so anziehend macht in ihrer Prosagestalt. Aber die lässt sich vielleicht auch in einer Hexameter-Fassung erreichen?!

Wer mag, kann sich selbst versuchen. Und auch schauen, wie sich eine behutsame Anpassung der Sprache an heutige Gepflogenheiten auswirkt! Da lässt sich vieles lernen und erfahren, denke ich …

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