Bücher zum Vers (75)

Ulrich Hötzer: Mörikes heimliche Modernität.

In diesem 1998 bei De Gruyter erschienenen Band findet sich vieles lesenswertes, ich möchte aber vor allem hinweisen auf „Grata negligentia“ – „Ungestiefelte Hexameter“? Bemerkungen zu Goethes und Mörikes Hexameter. Da gibt es auf über 30 Seiten nicht nur sehr viel über Goethe und Mörike zu erfahren, sondern vor allem ungemein wissenswertes über den Hexameter an sich. Wer sich mit diesem Vers beschäftigt, sollte Hötzers Text unbedingt lesen! Er ist zum allergrößten Teil auch im Netz einsehbar: Hier.

Beide Dichter haben ein sicheres Gespür für das rein Epische des Hexameters. Mit stets gleichbleibender Gebärde stellt dieser Vers, unendlich gereiht, Welt vor den Leser oder Hörer hin, und der gleichartige, aber nie identische Rhythmus spricht stets dieselbe Bewusstseinsebene an: aus dem Abstand betrachtende Anteilnahme. Das wird noch deutlicher, wenn wir den stichischen Hexameter mit dem elegischen Distichon vergleichen, wo der beruhigende Fluss des Hexameters durch den Gegenschlag des Pentameters unterbrochen wird. Der ständige Wechsel von gelassener Betrachtung und erregter Anteilnahme schafft im Hörer eine andersgeartete, intensivere Bewusstseinslage, eine Art „gebrochener Anschauung“. Das Distichon bildet Welt und reflektiert sie zugleich im Fühlen oder Denken. (…) Der Hexameter dagegen stellt dem Hörer Welt gegenüber als reine, ungemischte und ungebrochene Gegenwart.

– Eine meiner Lieblingsstellen (auf den Seiten 75 und 76 zu finden), die ich seit Jahren bei passenden (und wahrscheinlich auch weniger passenden!) Gelegenheiten anzuführen pflege … Aber ich denke halt, Hötzer hat sehr Recht mit dem, was er da schreibt, und ein sicheres Verständnis dieser „Wesensmerkmale“ hilft beim eigenen Schreiben unbedingt!

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