Erzählformen: Das Reimpaar (22)

„PPP. Pamphlete – Parodien – Postcripta“ heißt ein 1964 bei Langen Müller erschienener Band Friedrich Torbergs, und darin findet sich von Seite 213 an „eine Literaturgeschichte in Beispielen“. Thorberg padodiert den Stil der angesprochenen Verfasser und lässt inhaltlich kein gutes Haar an ihnen; manchmal geht es auf diese Art aber auch gegen bestimmte Richtungen der Dichtung, zum Beispiel die „Großstadtlyrik“:

 

Fabriken stehen Schlot an Schlot,
vorm Hurenhaus das Licht ist rot.

Ein blinder Bettler starrt zur Höh,
ein kleines Kind hat Gonorrhoe.

Eitrig der Mond vom Himmel trotzt.
Ein Dichter schreibt. Ein Leser kotzt.

 

Reimpaare aus iambischen Vierhebern haben etwas Unmittelbares, Schnörkelloses; was Torberg sich hier zu Nutze macht, besonders im dritten und letzten Paar, das sich zwar erst einmal eine kleine Auflockerung gönnt in Form der versetzten Betonung „Eitrig der Mond“, dann aber im Schlussvers nachdrücklich mit einer einprägsamen Gegenüberstellung schließt.

„Großstadtlyrik“ ist, immer noch, ein Unterrichtsgegenstand in der Schule, glaube ich?! Diese Verse sind mir in den entsprechenden Materialien allerdings noch nicht aufgefallen … Schade eigentlich.

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