Der Hexameter ist ein epischer, ein erzählender Vers. Worüber aber erzählt man mit ihm im 21. Jahrhundert? Über Helden und Heldentaten der Jetztzeit?! Das wäre nicht einfach, wie schon vor über 200 Jahren Daniel Jenisch erfahren musste, der 1794 mit „Borusssias“ ein Hexameter-Epos über den siebenjährigen Krieg und den erst wenige Jahre zuvor verstorbenen Friedrich den Großen vorlegte; die unmittelbare Nähe zur Zeitgeschichte hielt man durchaus für bedenklich! Jenisch hatte also einige Schwierigkeiten zu überwinden; aber da seine dichterische Kraft für so ein Riesenprojekt ohnehin nicht reichte, war das ganze eine ziemliche Pleite. Im Epilog schreibt er:
Kleinlich und tandverwöhnt ist Herrmanns Volk! Und dennoch
Sangst du, mein Geist, nicht kleinlich den Kleinlichen? Wagtest, o Kühner!
Unermuntert und unbelohnt, ein einsamer Verlassner,
Ihn zu wandeln, den Weg der unsterblichen Alten? Du wagtest
Tugend zu singen und Weisheit? Du wagtest, die Blumen des Tandes
Zu verschmähen? Du hast’s gewagt; – Es richten die Musen!
Tja. Wer heute „den Weg der unsterblichen Alten wandelt“, sprich: Hexameter-Epen schreibt, könnte sich durchaus auch „unermuntert und unbelohnt“ finden – jedenfalls, solange er nicht bessere Verse abliefert als Jenisch. Und eine weniger hohe Meinung von sich zu haben, schadet sicher auch nichts! „Gerichtet“ haben jedenfalls nicht nur die Musen, sondern auch Friedrich Schiller in einem Distichon:
Borussias
Sieben Jahre nur währte der Krieg, von welchem du singest?
Sieben Jahrhunderte, Freund, währt mir dein Heldengedicht.
Was Schiller allerdings nicht daran gehindert hat, Teile des Epos zu veröffentlichen. Aber das sind die, in denen Ewald von Kleist seinen Auftritt hat, ein wirklicher Dichter, der als Offizier im siebenjährigen Krieg starb – und so zu einer Rolle in Jenischs Epos kam …