Wenn man immer mal wieder in Bücher schaut, die sich mit Versfragen beschäftigen, stößt man unweigerlich auch auf weniger gelungenes; vor allem, wenn solche Versfragen gar nicht der eigentliche Gegenstand des Buches sind.
So erging es mir eben mit Ignaz Jeitteles‘ „Ästhetischem Lexikon“, erschienen 1839 bei Mösle & Braumüller; den dortigen Eintrag zum Hexameter kann man in weiten Teilen getrost als Unsinn bezeichnen.
Aber einige sinnvolle Aussagen sind selbstverständlich trotzdem enthalten. Zwei Beispiele:
– Je verschiedener die Teile des Hexameters durch die Einschnitte werden, desto schöner ist die Gliederung.
– Mehr Feile verdient immer die zweite Hälfte des Verses, weil die Schlussbewegungen am meisten auf das Ohr wirken.
Das ist so, dagegen lässt sich rein gar nichts sagen. Als Beispielverse dienen die berühmten, den Hexameter erklärenden Hexameter von Johann Heinrich Voß, die in ihrem Bau die jeweils verhandelten guten und schlechten Eigenschaften getreulich abbilden:
Dass wir geregelten Klang mit dem Ohr abmessen und Fingern,
Gnüget nicht; sondern damit auch keinerlei Tugend ihm mangle,
Sei der Gesang vieltönig im wechselnden Tanz der Empfindung.
Wenig behagen dem Ohre die Verse mit gleichem Getrippel;
…
Wobei der vierte Vers fünf amphibrachische Wortfüße, also Sinneinheiten der Form „x X x“ enthält, was der Forderung nach „Vieltönigkeit“ gerade entgegengesetzt ist!
Wenig / behagen / dem Ohre / die Verse / mit gleichem / Getrippel;
– Wirklich ein in seiner Bewegung sehr eintöniger und damit langweiliger Vers! Was im Vergleich mit den ersten drei Versen erst richtig deutlich wird, die auf Amphibrachen fast vollständig verzichten.
Und wer das damals aus diesem merkwürdigen Eintrag mitgenommen hat: der hat etwas Wichtiges gelernt. Immerhin!