Über keinen anderen Vers ist so viel geschrieben und gestritten worden wie über den Hexameter. Was auffällt beim Lesen all dieser sekundärenTexte: Die eindeutigen Aussagen, Gewissheiten und Zurückweisungen stammen eher von den Metrikern, den Theoretikern der Dichtungssprache; die Praktiker scheuen vor solchen Festlegungen meist zurück!
Emanuel Geibel zum Beispiel schreibt in einem Brief an Paul Heyse über dessen „metrische Epistel“ (hier beim Verserzähler besprochen in den Hexameter-Einträgen 73 – 77):
„Es lässt sich doch kaum in Abrede stellen, dass am rechten Orte gerade ein gewisses Widerstreben von Wortakzent und Versakzent den Hexameter rhythmisch zu beleben und ihm einen eigentümlichen Reiz zu verleihen vermag.
Aber es / glänzte der / Stein blut- / rot || am / Knaufe des / Schwertes
scheint mir wenigstens ausdrucksvoller als:
Aber / blutrot / glänzte der / Stein || am / Knaufe des / Schwertes
Hier wird es eben schwer sein, allgemein gültige Regeln aufzustellen, wie denn schließlich über jeden einzelnen Fall nur das rhythmische Gefühl des Dichters entscheiden kann.“
Hier redet also ein Dichter einem anderen Dichter gegenüber dem „geschleiften Spondäus“ das Wort – „Stein blut / rot“ -, den man hier wie meistens am besten mit „schwebender Betonung“ liest, also alle drei Silben gleichstark betont; und gleichlang vorgetragen?! Das spannende ist aber das Zurückweisen „allgemein gültiger Regeln“!
Und damit ist Geibel wie gesagt keineswegs allein: Eduard Mörike etwa schrieb an Wilhelm Hartlaub anlässlich der Überarbeitung seines „Märchens vom sichren Mann“, vor der er Johann Heinrich Voss‘ „Zeitmessung der deutschen Sprache“ gelesen hatte:
„Doch sind mir manche Zweifel übrig geblieben, und im Ganzen finde ich: man kommt zuletzt am weitesten, wenn man in allen Fällen sein eigenes Gehör befragt.“
Aber da deucht es ihm Nacht, dickfinstere; wo er umhertappt,
Nirgend ist noch ein Halt und noch kein Nagel geschlagen,
Anzuhängen die Wucht der wundersamen Gedanken,
Welche der Gott ihm erregt in seiner erhabenen Seele;
Vier Verse aus dem „sichren Mann“, die zeigen, Mörike ist in der Tat weit gekommen; und der erste ein schönes Beispiel dafür, was Geibel den „rechten Ort“ nennt für einen geschleiften Spondäus!