Adolf Stahr (1805 – 1876) war zu seiner Zeit ein auf vielen Gebieten tätiger Schriftsteller und dabei durchaus nicht erfolglos. Seine Gedichte allerdings, durch die ich mich gerade lese, sind … nicht so überzeugend. Eines schließt mit diesem Vers:
Mein Herz an dem Deinen aus Winter und Nacht
Wird da dem Herzen des / der Angeredeten bescheinigt, „aus Winter und Nacht“ zu bestehen? Das kitzelt das Ohr schon ein wenig! – Leider nicht; die gesamte zweite und letzte Strophe von „Frühlingshoffnung“ (ein Titel, der gedichtlich eher wenig Hoffnung macht) liest sich so:
Die Sonne geht unter, die Sonne geht auf
In des Daseins ewig hinkreisendem Lauf,
Durch ihre Macht
Zum Leben erwacht
Mein Herz an dem Deinen aus Winter und Nacht.
Öhöm. Aber man soll ja nichts verkommen lassen; ich nehme mir also den letzten Vers und packe ihn in meine dichterische Vorratskammer; da bleibt er liegen, bis ich bei Gelegenheit ein Cento schreibe oder einen anderen Text, in den ein solcher Vers passt – da wird er dann mit Verfasserangabe erscheinen, aber unter willentlichem Verschweigen der restlichen vier Verse …
(Für sich alleine, außerhalb des Rahmens einer Reimgedicht-Strophe: kann man diesen Vers als Vertreter der „Bewegungsschulen-Verses“ verstehen, wie ihn die hauseigene „Bewegungsschule“ nennt; außerhalb derer er allerdings als „Anapästischer Dimeter“ geführt wird.)