Das Königreich von Sede (18)

„Schemel, du des alten Königs
Alter Narr: Da das Geschirr nun
Abgetragen wird und alle
Satt sind, satt und wohlig müde –
Magst du uns, den Tag zu schließen,
Nicht die alten Lieder singen?“
Schemel griff nach seiner Laute,
Schloss die Augen und besann sich,
Wählte aus den vielen Liedern,
Drin das Früher wohl bewahrt ist,
Eines aus, Der alte Weise,
Das den Hörern wohl vertraut war,
Und ließ seine Stimme schallen.

Schaukelstuhl, der alte Weise,
Trat zur Wiege eines Jungen,
Sah ihn an und klagte leise:
„Kleiner Prinz, mit deinen Taten
Willst du Gutes, doch mißlungen
Ist die Zukunft dir schon heute.
Ach ihr Zeiten, ach ihr Leute,
Ach ihr Welten seid verraten!“

Da begann das Kind zu weinen:
„Soll mir also nichts gelingen?
Werde ich denn nichts vollbringen,
Was die Sänger preisen werden?
Warum hast du mich geboren,
Königin, ein Fluch den Meinen!
Bin ich wirklich auserkoren
Allen Fluch zu sein auf Erden?“

Schaukelstuhl, der alte Weise,
Fand die Königin im Garten,
Sah sie an und klagte leise:
„Majestät, tiefschwarze Saaten
Ruhen in dem Knaben, warten,
Wollen ihn ins Unglück leiten.
Ach ihr Welten, ach ihr Zeiten,
Ach ihr Leute seid verraten!“

Da begann die Frau zu weinen:
„Keine Schuld, von der wir wissen,
Nichts, das wir bedauern müssen,
Trotzdem soll das Glück ihn meiden?
Unter all den Männern, Frauen
Dieses Landes gibt es keinen,
Der dem Gott mit mehr Vertrauen
Dient, und wir, wir müssen leiden?“

Schaukelstuhl, der alte Weise,
Starb und kam in Donmas Hallen,
Sah ihn an und klagte leise:
„Viele Menschen flehten, baten,
Taten viel, dir zu gefallen –
Willst du’s ihnen nicht vergelten?
Ach ihr Leute, ach ihr Welten,
Ach ihr Zeiten seid verraten!“

Da begann der Gott zu weinen:
„Hilfe würd ich gerne bringen
All den Menschen, die da singen,
Die da beten, lauthals flehen,
Hoffen auf des Gottes Segen,
In den Tempeln, vor den Schreinen:
Doch das Schicksal steht dagegen,
Nur sein Wille wird geschehen.“

Schaukelstuhl, der ewig weise,
Ward geboren, hob die Augen,
Sah die Welt und klagte leise:
„Kein Gedanke, keine Taten,
Kein Gebet kann etwas taugen,
Denn wir sind des Schicksals Beute.
Ach ihr Zeiten, ach ihr Leute,
Ach ihr Welten seid verraten!“

Schemel ließ das Lied verklingen,
Leise in die Nacht verklingen,
Und die Gäste saßen schweigsam,
Still bedenkend, was der Vorzeit
Weiser Rat für sie bedeute:
Lange Zeit im weiten Dunkel.

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