Erzählformen: Das Distichon (19)

Im Sommer dieses Jahres ist bei Klöpfer & Meyer „Haydns Papagei“ erschienen, ein Gedichtband von Susanne Stephan. In dem lyriktypisch dünnen, schön gemachten und sehr lesbaren Buch findet sich auf Seite 22 „Discount“, ein Text, der zusätzlich mit der Kennzeichnung „Elegie“ versehen ist; was zumindest einen Anfangsverdacht in Bezug auf das Distichon zulässt! Und tatsächlich ist gleich der erste Vers ein schöner Hexameter:

 

Siebenundzwanzig wie Trakl, wie Joplin, Hendrix, verunglückt,

 

– Danach folgt aber kein wirklicher Pentameter, und auch die folgenden Verse erinnern eher von fern ans „elegische Maß“, bis:

 


Siebenundzwanzig, Amy, und diese gewaltige Stimme,
die mich findet und greift, Lied aus dunklem Gewölk
nahe den Instant-Suppen, dem luftdicht einzeln Foliertem,
die zu groß ist für uns, unsere Körper und treibt,
fegt hier alle und alles hinaus nur wohin aus der Halle

 

Zweieinhalb sehr saubere, sehr schöne Distichen von feiner Bewegung, nach denen der Text sich dann wieder mit Anklängen an die Bewegungswelt des Distichons begnügt. Aber auch so: Ein schönes Beispiel dafür, wie Distichen im Jahre 2015 aussehen können, und welche Wirkungen mit ihnen zu erzielen sind! („Foliertem“ steht so im Text, seltsamerweise.)

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