Erzählverse: Der iambische Vierheber (6)

Der im gestrigen Eintrag erwähnte Christian Friedrich Daniel Schubert bevorzugte in seinen eigenen Texten trotz der Liebe zu Klopstocks „Messias“ den Reimvers, schrieb aber gelegentlich auch ungereimte Verse meist iambischer Art. Ein Beispiel ist „Das wundertätige Kruzifix“, dessen Anfang so lautet:

 

Ein Eremit, dem Tode nah‘,
Sprach zu Sebastian, dem Knaben,
Den er als Sohn erzog: „Ich sterbe!
Sebastian, mein Sohn, begrabe
Mich neben dieser Hütt‘, ins Grab,
Das ich mir selbst geschaufelt. Wisse,
Du guter Baste, der du mir
Den süßen Vaternamen gabst,
Dein Vater bin ich nicht, ich fand
Dich einst, als Mordsucht mit dem Schwert
Die Ketzer würgte: ach, der Himmel
Sah rot und schien sich zu entsetzen
Ob diesem Gräu’l! – da fand ich dich
Im Arm des trunknen Kriegers, der
Dich eben aufwärts schleudern wollte,
Um dich zu fangen mit dem Schwerte.“

 

Rasch und ungezwungen sich bewegende iambische Vierheber, allerdings leicht unübliche; denn während es beim Blankvers zum Wesen des Verses gehört, zwischen betonten und unbetonten Vers-Schlüssen zu wechseln, weisen ungereimte, gereihte iambische Vierheber meist ausschließlich betonte Vers-Schlüsse auf. Schubart wechselt hier aber blankverstypisch, was sicher auch zum prosanahen Eindruck der Verse beiträgt!

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