Erzählformen: Das Distichon (21)

Selbstverständlich zu klingen ist nicht immer das Ziel der Dichter; und selbst da, wo es ihr Ziel ist, verfehlen sie es oft. Zwei Distichen, deren Selbstverständlichkeit ich immer wieder bewundere, stehen am Ende von Johann Wolfgang von Goethes „Euphrosyne“:

 

Also sprach sie, und noch bewegte der liebliche Mund sich,
Weiter zu reden; allein schwirrend versagte der Ton.
Denn aus dem Purpurgewölk, dem schwebenden, immer bewegten,
Trat der herrliche Gott, Hermes, gelassen hervor

 

 – Dabei sind einige Dinge gar nicht selbstverständlich, zum Beispiel die Nachstellung der Adjektive im dritten Vers; oder die Verwendung der hexametrischen Allerweltsformel „Also sprach sie“. Aber Goethe nutzt das alles, um die Verse sehr anziehend zu unterteilen mit Hilfe der Satz- und der Verseinschnitte; so dass ein rundes Ganzes entsteht.

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