Erzählverse: Der trochäische Vierheber (50)

Das Symbol des Menschen

„Zeig mir“, sprach zu mir ein Dämon,
„zeig mir das Symbol des Menschen,
und ich will dich ziehen lassen.“
Ich darauf, mir meine schwarzen
Stiefel von den Zehen ziehend,
sprach: „Dies, Dämon, ist des Menschen
schauerlich Symbol; ein Fuß aus
grobem Leder, nicht Natur mehr,
doch auch noch nicht Geist geworden;
eine Wanderform vom Tierfuß
zu Merkurs geflügelter Sohle.“
Als ein Bildnis des Gelächters
stand ich da, ein neuer Heiliger.
Doch der Dämon, unbestimmbar
seufzend, bückte sich und schrieb mit
seinem Finger auf die Erde.

 

– Schreibt Christian Morgenstern. Seine trochäischen Vierheber haben immer einen besonderen Klang, und es lohnt sich sehr, nachzuprüfen, wie der zustande kommt; nicht nur durch zum Beispiel doppelt besetzte Senkungen, besonders auffällig am Versschluss („Heiliger“); sondern auch durch Gleichklänge, Wortwiederholungen, dem Verhältnis von Vers und Satz … „Ich darauf, mir meine schwarzen / Stiefel von den Zehen ziehend, / sprach:“ – höchst wirkunsgvoll!

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