Erzählverse: Der Blankvers (80)

Christian Ludwig Neuffers „Die Schlacht vom schönen Bunde“ erzählt von der Schlacht bei Waterloo. Der lange Text ist in verschiedenen Versmaßen geschrieben; ich greife hier zwei Abschnitte heraus, die den Blankvers verwenden.

Der erste schildert, wie die französischen den englischen und preußischen Truppen begegnen:

 

Und wie der hohen Überschwemmung Flut
Sich oft im weitumrauschten Felde teilt,
Und dort dem alten Eichenwald, und hier
Der dichten Ährenflur entgegentobt:
So trennt sich schnell das ungeheure Heer
Und wirft sich dort ergrimmt auf Wellingtons
Zum Sieg verbundne, ruhmbekrönte Schar,
Und hier auf Blüchers mutbeseeltes Volk.

 

– Eigentlich sind es keine wirklichen Blankverse, sondern ausschließlich männlich schließende iambische Fünfheber, die von den im Blankvers üblichen Auflockerungen nichts wissen; trocken oder langweilig wirken die Verse aber trotzdem ganz bestimmt nicht!

Aus der eigentlichen Schlacht:

 

Das ganze Feld ein offner Höllenrachen,
In Glut und Dampf die Kämpfer eingeschlossen,
Der Boden wankt, des Himmels Wölbung zittert,
Und ins Gebrüll der Mordschlacht rollt der Donner
Aus schwarzen Wetterwolken, die sich schwebend
Herabgesenkt und mit dem Rauche mischen,
Und auf den Wolken hält der Weltenlenker
Ein schreckliches Gericht, und wägt die Lose
Der grimmigen, zum Mord empörten Völker.

 

In diesem Abschnitt enden dagegen alle Verse weiblich, und die zusätzliche unbetonte Silbe führt zu einer vernehmbar anderen Grundbewegung! Solche Blankvers-Blöcke sind in Neuffers Text durch andere Verse voneinander getrennt, darunter auch viele Zweiheber; aber ihre bestimmte, klar erkennbare Erzählstimme lässt sie sich darüber hinweg immer wieder verbinden, ganz gleich, welche Endungen sie haben.

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