Erzählverse: Der iambische Dreiheber (1)

„Iambischer Dreiheber“, das meint diesen Vers:

x X / x X / x X / x

– Also die siebensilbige, „weiblich“ schließende Form! Die kommt sehr häufig vor in den Verspaaren und Strophen von Reimgedichten; Hier soll es aber um die ungereimte und gereihte Fassung gehen, die zum Beispiel in der Anakreontik zur Darstellung von leichten, tändelnden Gedichten genutzt wurde. Wilhelm Müller, „Ein Rosenblättchen zwischen zwei Lippen“:

 

Ein junges Rosenblättchen,
Der Knospe kaum entwunden,
Will gar sich unterfangen,
Mit deines Mundes Röte
Sich prahlend zu vergleichen.
Da kommen die Zephyre
Und blasen es herunter,
Und tragen es gerade
Auf deine Purpurlippen,
Wo es in Schimpf und Schande
Sich büßend muss verzehren.

 

Freunden gedankenschwerer Gedichte darf man mit so etwas nicht kommen; trotzdem hat es seinen Reiz, an dem der Eindruck von Mühelosigkeit sicher beteiligt ist; und um den zu erzeugen, eignet sich der Dreiheber vorzüglich! Der Vers ist kurz, es kann also nicht viel Inhalt da sein, der ihn füllt, ehe das Zusammentreffen zweier unbetonter Silben den Verswechsel kennzeichnet; und die ausschließlichen Versenden auf „unbetontes e“, die in anderen Versformen (Hexameter!) gar nicht gern gehört werden, sind hier durchaus am Platz, den der Eindruck des Gewöhnlichen ist ja gewollt!

Auf der anderen Seite klingen solche Verse, wenn man sie wirklich gedankenlos hinschreibt (und nichts ist einfacher als das), entsetzlich platt. Aber die guten Dichter konnten und können es so aussehen lassen, als ob derlei Verse eine Augenblicksschöpfung sind; und das ist dann ein ganz anderer Fall …

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