Karoline von Günderrode lässt in ihren „Pilgern“ den ersten Pilger ins seiner ersten Strophe so reden:
Ich bin erkranket
An Liebespein,
Mögt‘ nur genesen,
Wollst du mein sein.
Wie bewegt sich diese Strophe? Die ersten beiden Verse sind streng iambisch-alternierend gebaut, den dritten kann man gleichfalls so lesen, oder auch mit versetzter Betonung (also mit betontem „Mögt‘); aber der vierte?! „Wollst du mein sein“ klingt grässlich, „Wollst du mein sein“ auch; „Wollst du mein sein“ ginge, wobei aber eigentlich das „sein“ reimen müsse, statt eine Art Echo zu bilden? Bleibt noch „Wollst du mein sein“ – ein schöner „Ionicus a minore“! Da kommen dann beide Reimworte auf ihre Kosten, und die ganze Strophe hat eine sehr frische Bewegung:
x X x X x
x X x X
X x x X x
x x X X
– Schön! Wenn auch, wie die restlichen Strophen lehren, der eigentliche Ton des Textes viel regelmäßiger ist:
Die Vöglein fliegen
So lustig voran,
Sie suchen den Frühling
Und treffen ihn an.
– Also das im Zweiheber sehr beliebte, aber darum auch recht abgegriffene „x X x (x) X (x)“; das in dieser Strophe immerhin gut zum vergleichsweise nichtssagenden Inhalt passt.
Aber wie auch immer: Die erste Strophe ist zumindest ein weiterer Fingerzeig, dass die Versbewegung im Zweiheber sehr frei ist und dem Verfasser viel Spielraun bietet, ungewöhnliche Bewegungslinien zu verwirklichen!