Erzählverse: Der Knittel (17)

Christoph Martin Wieland war, ohne jeden Zweifel, der Meister des anmutigen, erzählenden Reimverses. In seinem Gandalin (auch schon in (5) angesprochen!) nutzt er eine Art „gezähmten Knittel“, mit dem er die wunderbarsten Wirkungen zu erzielen weiß – so gleich zu Anfang der Erzählung, als er deren Helden eine „Art von Liebe“ bescheinigt,

 

Die tief im Eingeweid brennt und nagt,
Die alle Lust zu Spiel und Scherzen,
Die Schlaf und Esslust euch versagt
Und ohne Rast, den Pfeil im Herzen,
Durch Berg und Tal euch treibt und jagt,
Bis ihr erschöpft von Angst und Schmerzen,
Verblutet, lechzend, atemlos
Der schönen Feindin vor die Füße
Hinsinkt, das Köpfchen in ihren Schoß
Verbergt und sterbt, und glaubt wie süße
Der Tod euch schmecke, wenn allenfalls
Ihr glattes Pfötchen um Brust und Hals
Euch noch zur Letze freundlich krabbelt,
Und euer gebrochnes Herzchen wohl gar
An ihrem Busen sich verzabbelt:
Das nenn‘ ich lieben! Nur ist’s rar!

 

Das will, unbedingt! laut gelesen werden. Und klingt und schwingt dann, dass es scheint, als könne gar nicht anders erzählt werden als in Versen … Große Kunst, wenn auch nicht zeitgemäße.

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