Erzählformen: Der Zweiheber (27)

Gedichte in Zweihebern haben oft etwas sinnlich-bewegtes; sie können aber auch auf gedanklicher Grundlage aufgebaut sein, wie zum Beispiel die „Antikritik“ von Isolde Kurz, die sich in ihren gesammelten Werken bezeichnenderweise unter den „Sinngedichten“ findet:

 

Den Herrn Professor
Halt‘ ich in Ehren,
Weiß er es besser,
Mag er mich’s lehren.
Philosopheme,
Dunkle Systeme,
Kann er erklären,
Kann er vermehren.
Logik, Methodik
Sind seine Sachen,
Nur seine Prosodik,
Die macht mich lachen.

Eh er mich meistern will,
Seh‘ er sich vor:
Zwar er hat den Gottsched,
Doch ich – das Ohr.

 

– Lässt die durchaus selbstbewusste Dichterin ihr „Ich“ sicherlich stellvertretend, wenn auch nicht gänzlich ernst sagen …

Die Zweiheber sind hier anfangs sehr sauber gebaut, die Hebungen können eindeutig zugewiesen werden; gegen Schluss ist die Sache etwas weniger klar, aber da das Ohr den Zweiheber bis dahin als gestaltende Größe verinnerlicht hat, findet es doch immer das richtige, denke ich! Der erste Teil hätte auch als drei unabhängige Strophen gesetzt werden können; die Verfasserin entschied sich anders.

Dass mit Johann Christoph Gottsched (der eine zu seiner Zeit ungemein wirkungsvolle „Critische Dichtkunst“ geschrieben hat) eine wenn auch große, so doch zu Kurz‘ Lebzeiten schon längst überholte Autorität Erwähnung findet, ist eher kein Zufall …

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