Johann Wolfgang Goethes „Die Leiden des jungen Werthers“ war seinerzeit ein sehr, sehr berühmtes Buch – aber auch die Moritat, die Heinrich Gottfried von Bretschneider daraus gemacht hat, war wohlbekannt. Acht Strophen daraus:
Ein Pfeil vom Liebesgotte
Fuhr ihm durchs Herz geschwind:
Ein Mädchen, sie hieß Lotte,
War eines Amtmanns Kind.
Die stand als Vize-Mutter
Geschwistern treulich vor
Und schmierte Brot mit Butter
Dem Fritz und Theodor,
Dem Liesgen und dem Kätgen –
So traf sie Werther an
Und liebte gleich das Mädgen,
Als wär’s ihm angetan.
Wie in der Kinder Mitte
Sie da mit munterm Scherz
Die Butterrahmen schnitte –
Da raubt‘ sie ihm das Herz.
Er sah, beklebt mit Rotze,
Ein feines Brüderlein
Und küsst‘, dem Rotz zum Trotze,
An ihm die Schwester sein.
Fuhr aus, mit ihr zu tanzen
Wohl eine ganze Nacht,
Schritt Menuetts der Franzen
Und walzte, dass es kracht‘.
Sein Freund kam angestochen,
Blies ihm ins Ohr hinein:
„Das Mädgen ist versprochen
Und wird den Albert frein.“
Da wollt‘ er fast vergehen,
Spart‘ weder Wunsch noch Fluch,
Wie alles schön zu sehen
In Doktor Goethes Buch.
Rotze. Ja. Die zuvor, in diesem Ausschnitt und danach erzählte Geschichte ist jedenfalls die von „Doktor Goethe“ bekannte; das „wie“, die mutwillig unbekümmerte Füllung der so volkstümiich gewordenen Brunnenstrophe, gibt dem ganzen aber einen eigenen Klang und unterstützt die (auch angelegte) parodistische Wirkung aufs feinste?!