Erzählverse: Der trochäische Vierheber (58)

Verfasser sollen ihre Gedichte nicht erklären, heißt es oft; in Julius Curtius‘ folgendem Text übernimmt die Erklärerei sogar das Gedicht selbst!

 

Blühte mir ein schöner Garten
Voll der allerschönsten Blumen;
Malven, die den Himmel suchen,
Veilchen, Rittersporn und Flieder,
Nelken, Lilien und Resede.
Doch die schönsten Blumen alle
Mochten mir nicht so gefallen,
Als ein wildes Rosenstöckchen
Am gegitterten Geländer.
In der Blätter dunklem Grüne
Leuchteten die roten Blumen
Freundlich, wie die Morgenröte;
Und sie dufteten so lieblich,
Früh am Morgen, spät am Abend,
Dass ich manche liebe Stunde
An dem Rosenstöckchen wohnte.
Und der Gärtner sah mein Lieben,
Und noch mehr mich zu vergnügen
Schnitt er weg die wilden Ranken
Und die Dornen an den Stielen,
Die mir wohl die Hände ritzten.
Als ich nach gewohnter Weise
Abends zum Geländer schreite,
Ist der ganze Busch verwüstet:
Jeder der vorüber wallte,
Brach vom unbewehrten Busche
Im Vorbeigeh’n Blum‘ und Knospe;
Trauernd ging ich aus dem Garten,
Denn die zarten Blumen alle,
Wie der Regenbogen lieblich,
Wie aus Paradiesen duftend,
Konnten mir das Rosenbäumchen
am Geländer nicht ersetzten.

Und die Rose war mein Liebchen,
Und der Gärtner war sie selber,
Und der Garten meine Heimat.

 

Keine ganz großen Verse, aber das Ende hat in seinem Willen zur Eindeutigkeit etwas – durchaus!

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