Deutsche Epigramme wurden seit der Barockzeit in kurzen Reimtexten gestaltet; später kam dann das Distichon dazu, das spätestens mit den „Xenien“ Schillers und Goethes die Hauptform des kurzen Sinngedichts wurde.
Als 1832 eine Sammlung „Xenien“ eines unbekannten Verfassers erschienen, zeigte sich, dass die beiden Möglichkeiten auch verbunden werden können: Auf die (für ein Epigramm mehr oder weniger verpflichtende) Überschrift folgte ein kurzes Reimpaar, auf dieses dann das eigentliche Sinngedicht in einem oder zwei Distichen.
Null
Leere Worte macht er viele,
Und das sind ihm Musenspiele.
Jetzo setz‘ ich ein Xenion her, dem fehlt es an Inhalt;
Darin hab ich zum Vor – bild mir den Menzel erwählt.
Wolfgang Menzel war ein bekannter Literaturkritiker, der selbst kein Blatt vor den Mund nahm und auch in Distichen gegen die seiner Meinung nach unzureichenden Schriftsteller der Zeit gestänkert hat; da wird es ihn nicht gestört haben, wie hier auch einmal auf die „Empfängerseite“ eines Spott-Distichons zu geraten …
Bemerkenswert ist hier noch der Pentameter, in dem selbst die kleinstmögliche Pause zwischen den Halbversen, die entsteht, wenn der eine mit einem Wort endet, der andere mit einem neuen Wort beginnt, nicht verwirklicht wird; der Verfasser aber durch den Gedankenstrich, der das Wort spaltet, das die Versmitte überspannt, diesen Mittelpunkt doch wieder deutlich macht!