Erzählverse: Der iambische Trimeter (7)

Die Liedertagebücher Friedrich Rückerts sind, wie der Name vermuten lässt, eine Art Tagebuch in Versen. Die dort versammelten Gedichte sind oft schlicht, oft versponnen; oft sind aber auch wirklich schöne Sachen darunter. Für mich zählt dazu der folgende Text aus dem Liedertagebuch 1847, der zum einen herrlich trocken daherkommt, so gar nicht lyrisch, so gar nicht bemüht; und der zum anderen die Frage nahelegt, wie diese Dinge denn 170 Jahre später aussehen …

 

Amerikaner fragen nicht: wer ist der Mann?
Denn Standesunterschiede gelten ihnen nichts.
Sie fragen auf gut englisch: was ist wert der Mann?
Das heißt auf schlecht deutsch: wie viel hat er Geld im Sack?
Wenn nun ein Schurk‘ im Sack zehntausend Dollar hat,
So ist er ein zehntausenddollarwerter Mann,
Und Ehrlichkeit, die nichts im Sack hat, ist nichts wert.
Ich bin zehntausend Dollar wert, sagt mancher, der
Des Galgens Strick nicht wert ist. Ihre Sprache sagt’s:
Der Dollar nur hat Wert, der Mensch ist ohne Wert.

 

„zehntausenddollarwerter“ – da ist dann eine Zäsur, wie sie ein solcher Langvers braucht, nicht wirklich möglich. Sonst achtet Rückert aber, bei aller scheinbaren Unbekümmertheit, recht genau auf die Erfordernisse eines Langverses, wie es der Trimeter ist?!

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