Vom Büchermachen

Bücher müssen gemacht, was heißt: erarbeitet werden; das war schon immer so, und ist auch nicht wirklich abhängig von ihrem Inhalt.

Der aus Aleppo stammende Syrer Philipp Stamma war in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts einer der besten Schachspieler, und 1737 veröffentlichte er in Paris, später dann, 1745, noch einmal in London eine Sammlung von Schachproblemen. Diese Sammlung haben gut hundert Jahre später die Berliner Ludwig Bledow und Otto von Oppen neu herausgegeben – „Stammas hundert Endspiele“, erschienen 1856 bei von Veit. Die eigentliche Arbeit hat dabei Bledow geleistet, wie von Oppen am Anfang des Buches in einer Art, die wiederum 150 Jahre später seltsam anrührend wirkt, beschreibt:

Endlich ging er selbst ans Werk und legte sich den Apparat zurecht mit der ihm eigentümlichen behaglichen Umständlichkeit und Sorgfalt, welche uns noch jetzt in Zweifel lässt, ob er denn gar keine anderen Geschäfte, oder ob der Tag mehr Stunden für ihn gehabt habe als für die übrige Welt. Bledow war ein Pedant im guten Sinne des Worts, er nahm einen Folioband von solchem Umfange, wie er ihn nach seinem Überschlage für nötig hielt, und fügte demselben die nötige Zahl blauer Büchlein wie Adjudanten bei; dann entwarf er mit seiner zierlichsten Handschrift den Titel, ganz so wie er gedruckt werden sollte und ich ihn beibehalten habe, ließ die Zahlenübersicht der sämtlichen Endspiele mit Ergänzungen folgen, welche sich auf abweichende Aufstellungen der bisherigen Ausgaben beziehen, gab ein vollständiges Verzeichnis dieser Ausgaben mit eigenen kurzen Notizen und ging dann zu den Spielen selbst über. Ein jedes bekam in dem Hauptbuche sein besonderes Blatt oder auch mehrere, wo viel zu notieren war, er vermerkte Übereinstimmung oder Abweichungen aller bisher erschienenen Ausgaben sowie die eigenen Äußerungen der Autoren, oder wies, wo sie zu umfangreich waren, auf die Werke selbst hin; selbst deren Druckfehler entgingen seiner Aufmerksamkeit nicht. Seine eigenen Glossen beschränkten sich auf kurze Sätze, Fragen, Frage- oder Ausrufungszeichen, Bezugnahmen dessen, was er schon bearbeitet hatte und was leider großen Teils verloren ist; dann studierte er jedes einzelne Spiel, prüfte es wiederholt und notierte erst den Zweifel, dann die festgestellte Gewissheit. In den blauen Büchlein führte Bledow noch eine besondere Kontrolle und trug in ihnen alles zusammen, was ihm als Material irgendwie brauchbar erschien.

Jetzt konnte er anfangen, die hundert Endspiele, wie er es auf dem Titel angekündigt hatte, zu bearbeiten und binnen wenigen Wochen ein klassisches Werk vollenden; der Tod nahm ihm die Feder aus der Hand. Ich habe die meinige dem abgeschiedenen Freunde geliehen, ich schrieb alles, und doch ist alles, oder fast alles, Bledows Nachlass.

Von Oppen ist hier sicher ein wenig umständlich – aber was passte besser zum Inhalt? Der eigentliche Inhalt, die hundert Schachprobleme Stammas, folgt danach. Ich stelle zum Schluss eines der einfacheren davon vor:

[fen]3N4/7p/6p1/4Bn1k/6R1/7K/6P1/2r1q3 w – – 0 1[/fen]

Gefordert ist ein Matt in drei Zügen, die Lösung lautet: 1.Tg4-g5+ Kh5xg5, 2.Sd8-f7+ Kg5-h5, 3.g2-g4#. Da auch dem weißen König einiges Ungemach droht, muss Weiß schnell sein, sprich: von Beginn an Schach geben!

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