Horst Turk: Dramensprache als gesprochene Sprache. Untersuchungen zu Kleists „Penthesilea“.
Wie in (110), steht auch hier Heinrich von Kleists Sprachkunst im Blickpunkt, allerdings geht es weniger um den (Blank-)Vers an sich, sondern mehr um die allgemeinen sprachlichen Besonderheiten.
Der junge Tag, wahrhaftig, liebste Freundin,
Wenn ihn die Horen von den Bergen führen,
Demanten perlen unter seinen Tritten;
Er sieht so weich und mild nicht drein, als er.
Diese vier wunderbaren Verse dienen Turk als Beispiel eines „rückwirkend beziehenden Einschubs“, und auf Seite 66 merkt er dazu an:
Hier ist der umfassende Zusammenhang, der sich im Innern des Satzes expliziert, verkürzt im Subjekt aufgerufen und mitgedacht. „Der junge Tag“ evoziert ein Vergleichsfeld, das Penthesilea in diesem Zitat auf den Peliden anwenden will. Der Vergleich selbst ist aber offensichtlich umfassender gedacht, als der Satzanfang vermuten lässt, in dem er in gewisser Weise beschlossen liegt. Nur wenn er den Ordnungsanspruch des Subjekts durchbricht und sich im Satzinnern verselbstständigt, kann er ganz aus sich heraustreten und sich vollständig sprachlich realisieren.
Der Band ist schon älter, in zweiter Auflage 1968 bei Bouvier erschienen; aber immer noch lesenswert, denke ich.