Epigramme haben, wie jede Dichtungsgattung, ihre bevorzugten Formen – im Barock zum Beispiel das Alexandrinercouplet und anderes gereimtes, später dann das Distichon, das allerdings die einzige reimlose Form blieb. Na ja, fast: Ausnahmen gibt es immer, und zu denen gehört zum Beispiel auch Christian Adolph Overbecks knapper Dreizeiler „Lebensgenuss“:
Morgen willst du leben? Armer!
Heute leben, heißt verspätet;
Wer gescheit ist, lebt schon gestern.
– Eine Ausdrucksweise dieser Erkenntnis, die heute ganz totgequatscht ist („Wann muss das fertig sein?“ „Vorgestern!“), aber auch vor 200 Jahren nicht mehr ganz frisch gewesen sein dürfte … Worauf es hier aber eher ankommt, ist die kennzeicnende Bewegung des ungereimten trochäischen Vierhebers, die sich, wie im Vortrag überprüfbar, hier auch in dem nahezu kleinstmöglichen Raum von nur drei Versen sicher und unüberhörbar verwirklicht!