Martin Greifs „Herbstblumen“ bietet inhaltlich nicht viel, aber das soll ja nicht daran hindern, den Eigenheiten der Form und des Verses nachzuspüren …
Blumen duften durch den Garten,
Doch es sind nur späte Blumen,
Keine Rosen stehn dabei.
Drum, wie lieblich sie auch duften,
Mehr der Trauer als der Freude
Wecken sie im Herzen auf.
Meldet jede doch darunter
Nur dasselbe wie die andre,
Dass der Glanz des Sommers fliehe,
Dass der Herbst schon angebrochen,
Dass der Winter nicht mehr fern.
Der erste Satz schließt in V3 auf eine betonte Silbe – das wird allgemein ganz gern gemacht, die längere Pause – „der Punkt“ – ersetzt dabei die fehlende unbetonte Silbe! Auch der zweite Satz ist drei Verse lang, auch V6 schließt dann betont; und der dritte Satz ist fünf Verse lang und schließt, das wundert nun nicht mehr, wieder betont. Damit weist das Gedicht eine deutliche Dreiteilung auf; und obwohl die „Kanzonenform“ eigentlich gereimten Gedichten vorbehalten ist, setzt sie auch dieser ungereimte Text um – einem „Aufgesang“ aus zwei gleichgebauten Stollen (V1-V3, V4-V6) folgt ein „Abgesang“, der länger als ein einzelner Stollen, aber kürzer als der gesamte Aufgesang ist! Dadurch gewinnt der Text eine Abgeschlossenheit und Überzeugungskraft, die ihm angesichts seines Inhalts sicher nicht schadet …