In seinem Buch „Deutsche Dichter-Abende“ hat Jakob Loewenberg 1904 verschiedene seiner Vorträge versammelt, unter anderem einen über den Dramatiker Christian Dietrich Grabbe, den er mit einer Schilderung von dessen Geburtsstadt beginnt:
Am Fuß des Teutoburger Waldes, im Kern des alten Westfalenlandes, liegt die kleine lippische Residenz Detmold. Ein munterer Bach, von schmalen Brücken überwölbt, von hohen Bäumen überschattet, durchplätschert ihre Hauptstraße, deren zierliche Häuser aus wohlgepflegten Gärten freundlich zurückhaltend und würdig respektvoll herüberschauen, als wollten sie dem aus den Bergen kommenden Wanderer sagen: „Geh nur weiter, das große stattliche Fürstenschloss liegt am Ende der Straße.“
Ein eigener Hauch durchweht das alte deutsche Residenzstädtchen. Das Gras wächst munter zwischen den Pflastersteinen, macht unter jedem Tritte einen höflichen Knix und richtet sich gleich hinterher stolz und selbstbewusst wieder auf: „Ich gehör‘ doch auch zur Residenz, ich bin Hofgras!“ Fernab zieht der Strom des großen Lebens, kaum dass ein leises Rauschen herübertönt. Aber man hat einen empfänglichen Sinn für alle Dinge, die das Leben schmücken; die Kultur des Geistes und der Sitte hat hier einen alten Boden, und man ist stolz auf große geschichtliche Erinnerungen. Eine Tietmelle, eine Volksgerichtsstätte, erhob sich schon in ältester Zeit hier auf freiem Grund, und dort, in den Waldbergen, als deren höchster die Grotenburg aufragt, hat Hermann der Cherusker die Römer geschlagen.
Man verpasst nichts, wenn man Buch und Vortrag nicht kennt; aber diese tiefenentspannte Art der Schilderung mag ich doch, und der Einfall mit dem „Hofgras“ ist allerliebst!