Erzählformen: Das Distichon (104)

Heinrich von Kleist hat einige wirklich gelungene Einzeldistichen geschrieben; aber seine ganz eigene Art des Ausdrucks ist bestimmt um den größeren Raum, den eine ganze Reihe von Distichen bietet, nicht böse gewesen … Wie das wirken kann, zeigt sein „Prolog“:

 

Wettre hinein, o du, mit deinen flammenden Rossen,
Phöbus, Bringer des Tags, in den unendlichen Raum!
Gib den Horen dich hin! Nicht um dich, neben, noch rückwärts,
Vorwärts wende den Blick, wo das Geschwader sich regt!
Donnr‘ einher, gleichviel, ob über die Länder der Menschen,
Achtlos, welchem du steigst, welchem Geschlecht du versinkst,
Hier jetzt lenke, jetzt dort, so wie die Faust sich dir stellet,
Weil die Kraft dich, der Kraft spielende Übung, erfreut.
Fehlen nicht wirst du, du triffst, es ist der Tanz um die Erde,
Und auch vom Wartturm entdeckt unten ein Späher das Maß.

 

Da ist das Distichon immer noch die Größe, von der her der Text gedacht ist; aber weil der Gedanke insgesamt mehr Raum hat, geht er auch verschlungenere Wege, und die angeregte Art, in der er es tut, passt wunderbar zum „Wirklichkeits- und Bewegungshunger“ des Distichons?!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert