Vielleicht lässt sich etwas lernen aus den Vergleich zwischen Otto Ludwigs Versen des gestrigen Eintrags und der ersten Hälfte von Detlev von Liliencrons „Auf einem Bahnhofe“?!
Aus einer Riesenstadt verirrt‘ ich mich
Auf einen weit entlegnen kleinen Bahnhof.
Ein Städtchen wird vielleicht von hier erreicht
Von Männern, die vom Morgen an viel Stunden
Am Pult, in Läden und Kanzlei gesessen,
Und nun des Abends im Familienkreise
Den Staub abschütteln wollen vom „Geschäft“.
Ein glühend heißer Sommertag schloss ab.
Es war die Zeit der Mitteldämmerung.
Der neue Mond schob wie ein Komma sich
Just zwischen zwei bepackte Güterwagen.
Im Westen lag der stumme Abendhimmel
In ganz verblasster milchiggelber Farbe.
Und diesem Himmel stand wie abgeschnitten
Ein Haufen Schornsteintürme vor der Helle.
Aus allen Schloten qualmte dicker Rauch,
Erst grad‘ zur Höh‘, dann wie gebrochen bald,
Beinah‘ im rechten Winkel, einem Windzug
Nachgebend, der hier Oberhand gewonnen.
In wunderlich geformten Öfen dort,
Die offne Stellen zeigten, lohte ruhig,
Ganz ruhig, ohne jeden Flackerzug,
Ein dunkelblauer starker Flammenmantel …
Inhaltlich ziemlich beeindruckend, wie Liliencron eisern bei der Beschrebung dessen bleibt, was zu sehen ist – überzeugt davon, dass die Kraft der Verse den Leser hält?! Kraft haben die VErse aber wirklich, nicht zuletzt wegen der Versenden, die deutlich abwechslungsreicher gestaltet sind als die bei Ludwig mit ihrem Wechsel von männlich-betonten und weiblich-unbetonten Endsilben. Wobei letzere auch häufig ein „schwaches e“ haben; aber eben nicht alle.