Erzählformen: Das Distichon (116)

Ernst Schulze hat einiges geschrieben, was zu lesen sehr lohnt; der folgende Anfang einer seiner Elegien gehärt noch nicht einmal unbedingt dazu:

 

Amor, himmelgeborener, komm, nicht jener, der sinnlos
Ins wildwogende Meer frevelnder Lüste sich senkt,
Nicht du verderblicher Gott, der tief in die Herzen den Pfeil uns
Schleudert und hoffnungslos ewige Gluten erweckt:
Nein, du reizendes Kind, du flüchtiges, welches die Götter
Mit ätherischem Band lieblich und lose verknüpft,
Komm, du romantischer Knabe, der Abenteuer Beschützer,
Zarten Geflüsters Freund, Freund der verschwiegenen Lust,
Der du keusch und üppig zugleich und flüchtig und treu bist,
Feind der Fesseln und doch immer in Fesseln geschmiegt,
Du, der Schmerz und Freude gewährt, doch nimmer in Trübsinn
Unsere Schmerzen und nie wandelt in Ekel die Lust.

 

Aber einen deutlichen Gestaltungswillen, den spürt man von Anfang an; und wenn sich im letzten Distichon der Satz, vom Versrahmen gehalten, ein wenig löst und locker wird und doch verständlich bleibt – das ist schon spannend zu lesen …

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