Worum geht es in den in (5) erwähnten „Laidion-Stanzen“ von Wilhelm Heinse? Nun: Zu Zeiten Alexander des Großen erzählt Kleon, der seit Tagen nicht schlafen kann, wie er Almina dabei beobachtet hat, sich zu entkleiden und ein Bad zu nehmen.
Jetzt hüpft ihr Fuß empor, von frischer Kühle
Süß angeschreckt – schon steht sie in der Flut
Und überlässt dem reizenden Gewühle
Der Wellen sich; jetzt taucht sie ganz die Glut
Von sich hinein; wollüstige Gefühle
Durchschauern sie – es zittern Geist und Blut
Wie Wonn‘ in ihr; still lächelt das Entzücken
Um ihren Mund, und taumelt auf den Blicken.
Das lässt Kleon ganz und gar nicht kalt; in Bewegung kommen die Dinge aber erst, als eine Wolke herabschwebt und von ihr aus „Kinder“ anfangen, Alminas Kleider einzusammeln und Kleon zu entkleiden.
Schon wurde mir der Mantel weggetragen –
Im Augenblick war ich der Knaben Spiel.
Ei! Ei! schien der, mit Spott im Blick, zu sagen,
Dem noch zuletzt zum Los das Hemde fiel,
So stark, und jung, und schön – und nichts zu wagen?
Zu diesem Pfeil ist dort das schönste Ziel! –
O Zauberin Almina! – hingesprungen
Hing ich an dir mit festem Arm umschlungen.
Almina flieht, Kleon verfolgt sie, „Um nun den Sturm der Lieb‘ aus mir zu wüten“ (Was für ein Vers), erreicht und überwindet sie.
…
…
Sie kämpfte noch, und meine Seelen irrten,
Von diesem Kampf zum höchsten Sturm geschreckt,
Voll Wut herum, dass alle Nerven girrten,
Verwundet schon mit süßem Blut befleckt –
Und endlich brach, nach hundert Donnerschlägen,
Im Sturm hervor entzückend süßer Regen.
Gleich Blitzen flammen um die Lippen Küsse –
Auf jede Stille folgt ein Donnerschlag –
Es spritzt das Blut der tollen Liebesbisse –
Die Trunkenheit der Wonne raubt den Tag
Den Augen, macht, dass Hände, Leib und Füße –
Ein jedes voll verzückter Seelen lag,
Vom Nektar der Empfindungen durchflossen,
Die Amor in die Flammen ausgegossen.
Uh. Das ist, so eindruckvoll es auch gestaltet ist, die Schilderung einer Vergewaltigung?! Als alles vorbei ist, reagiert Almina so:
Almina sah mit schwachen, feuchten Blicken
Voll Gnade, Zorn, und Lieb‘ und Ernst mich an,
Und wand sich los – geschwind war Leib und Rücken
Und Brust und Hals in sein Gewand getan –
Ich musste dich die Blüte lassen pflücken,
Und ich verzeih’s, weil ich’s nicht ändern kann;
Doch schweigst du nicht von dem, was hier geschehen,
Dann wehe dir! Dann sollst du Rache sehen.
Uh zum Zweiten. Nachdem er zu Ende erzählt hat, findet Kleon doch noch Schlaf, und die letzten Stanzen schlidern den Inhalt seiner Träume.
Die hier vorgestellten Verse finden sich in dem schon erwähnten Brief Heinses an Wieland; wie Heinse glauben konnte, 1773 mit einer solchen Darstellung durchzukommen, ist mir ein ziemliches Rätsel …
Von der großen Wirkung, die diese Stanzen trotzdem hatten, wird der nächste Eintrag berichten!