Vor einigen Tagen fand ich eine Mappe wieder, in der sich 400+ Triolette befanden. Das schien eine gute Gelegenheit, einer grundsätzlichen Frage nachzuspüren: Was sind die unverzichtbaren Eigenschaften eines Trioletts, und welche Eigenschaften sind eher eine Möglichkeit als eine Notwendigkeit? Eine (zugegebenermaßen sehr kleine) Stichprobe von 100 Trioletten des 18. und des 19. Jahrhunderts (die ersten 100 der Mappe) kann helfen, darüber Klarheit zu gewinnen; vertreten sind ausschließlich Texte, die von den jeweiligen Verfassern, manchmal von den Herausgebern als „Triolett“ gekennzeichnet wurden; die Verfasser zählen dabei eher zur zweiten und dritten Reihe der deutschen Dichter, manchmal sind es auch ganz Unbekannte. Einige Übersetzungen aus dem Französischen sind dabei; insgesamt scheint es mir eine brauchbare, weil ausgeglichene Textmenge.
Desto häufiger eine Eigenschaft auftaucht, desto unverzichtbarer ist sie. Was nicht wirklich stimmt, aber eine brauchbare Annährung scheint … Und da zeigt sich, die unverzichtbarste Eigenschaft eines Trioletts ist: Es ist gereimt – das trifft auf alle 100 Triolette zu. Auf 98 ohne Wenn und Aber; Die restlichen beiden bilden ein Doppeltriolett:
Sie
Alle Röschen, die mir lächeln,
Muss ich ohne Säumen pflücken.
An dem Busen muss ich tragen
Alle Röschen, die mir lächeln.
Ob mein Vater mir auch zürne,
Dass ich seine Blumen breche:
Alle Röschen, die mir lächeln,
Muss ich ohne Säumen pflücken.
Er
Alle Mädchen, die mir lächeln,
Muss ich an den Busen drücken.
Küssen muss ich, ohne Fragen,
Alle Mädchen, die mir lächeln.
Ob die Holde mir auch zürne,
Was auch ihre Mutter spreche;
Alle Mädchen, die mir lächeln,
Muss ich an den Busen drücken.
In diesen beiden Trioletten von Peschek (die man inhaltlich vermutlich besser gar nicht erst zur Kenntnis nimmt) sind die drei Verse, die nicht in den AB … A … AB Grundaufbau eingebunden sind, im jeweiligen Triolett reimlos; im jeweils anderen Triolett finden sie allerdings ihre Entsprechung. Und auch der Grundaufbau reimt triolettübergreifend!