Die Uz-Strophe (6)

Ich mache einen kleinen Ausflug zum „Neuen Amadis“ von Christoph Martin Wieland, einfach, weil die Verfasserin der letzten Beispielstrophen darin erwähnt wird. Die 14. Strophe aus dem vierten Gesang – Schatulliöse findet sich, aus einer Ohnmacht erwacht, in der Höhle eines Tritons wieder, und, wie Wieland es ausdrückt, „Das macht Gedanken, wovor der Keuschen billig grauet“. (Auch ein „Uz-Vers“!)

Von diesen Gedanken empört, fährt sie mit beiden Händen
In ihre Locken, zerreißt ihr Halstuch, springt an den Wänden
Hinauf, und deklamiert mit tragischem Anstand aus mehr
Als zwanzig Opern die tollsten Stellen her.
Dann wirft sie, atemlos, sich auf die Erde nieder,
Reibt ihre Augen, weint, fährt wieder
Wie eine Medea herum, spricht Unsinn, apostrophiert
Die halbe Natur, und schwört, den Triton ewig zu hassen,
Wofern er – kurz, sie spielt die Tugend, wie sich’s gebührt,
Und muss – was ist zu tun? – am Ende doch sich fassen.

Eine wunderbare Strophe, in der allerdings der vierte Vers ein Fünfheber ist und der sechste ein Vierheber. Von den acht Sechshebern ist nur einer ein reiner „Uz-Vers“ – V2; wie die anderen (leicht) davon abweichen, seht, hört und fühlt man in Kenntnis der bisherigen Beispiele selbst. Ich weise nur auf V5 und V10 hin, zwei Verse ganz ohne zweifach besetzte Senkungen, was meint: klassische Alexandriner (aus denen sich der „Uz-Vers“ entwickelt hat!) mit ihrer Ruhe genau an den Stellen, an denen die geschilderte Bewegung zum Erliegen kommt. Hübsch!

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