Die Bewegungsschule (2)

Ich hoffe, das im letzten Eintrag angeregte Sammeln von tataTAM war ertragreich, und die Notizbücher und Hefte und Kladden sind wohlgefüllt; wie Scheunen nach der Ernte!

Diesmal möchte ich den Vers vorstellen, um den es im eigentlichen geht. Es ist dieser:

ta ta TAM / ta ta TAM || ta ta TAM / ta ta TAM

Also vier tataTAM, mit einem vergleichsweise tiefen Einschnitt genau in der Mitte, einer Pause sowohl inhaltlich als auch auf das Sprechen bezogen! Das wirkt im ersten Augenblick etwas starr und ist es auch; aber das bleibt nicht so, denn nach und nach werde ich zahlreiche Möglichkeiten vorstellen, den Vers abwechslungsreich und spannungsreich zu gestalten. Hier und jetzt allerdings schlage ich vor, ihn wirklich mit vier tataTAM zu füllen, ganz geduldig, immer wieder:

Aus dem Wort wird ein Vers, aus dem Vers ein Gedicht.

Das müssen keine sinnvollen Verse sein, und erst recht müssen es keine wirklichen Gedichte sein – es geht nur um das Einüben einer Grundbewegung, des tataTAMs, diesmal aber nicht mehr einzeln, sondern in Folgen von je vier tataTAM, und zwar immer so, dass die einzelnen tataTAM auch einer Sinneinheit entsprechen – und damit deutlich hörbar bleiben!

Das ist nicht schwierig, das ist nicht spannend; muss das wirklich sein? Na ja, wenn ich in einer Schul-AG oder im Verein Schachtraining mache, dann gehört das Lösen von Aufgaben, die ein „Matt in einem Zug“ (also einen sofortigen Gewinn) fordern, fest dazu. Das sind Aufgaben, die auch fast völlige Anfänger schon lösen können; und da kommt dann oft die Frage, warum das sein müsse, solche Aufgaben seien doch viel zu einfach. Das stimmt zwar, aber nur, solange man die Anordnung von Figuren, wie sie da auf dem Brett steht und sichtbar ist, für sich betrachtet. Doch es geht beim Schach ja auch darum, vorauszudenken: Ich mache das, sie das, ich das, sie das, ich das, und immer so weiter; solche „Varianten“ sind oft lang, und es kann geschehen, dass in der Stellung, bis zu der man sich vorgedacht hat, keine einzige der Figuren mehr da steht, wo sie am Anfang der Überlegungen gestanden hat. Und in diesem Augenblick, wo alles wie im Nebel zu verschwimmen beginnt: da muss ein Schachspieler in der Lage sein, das eigentlich so einfache „Matt in einem Zug“ trotzdem zu bemerken! Und das geht nur, wenn es zuvor immer und immer wieder eingeübt worden ist.

Ich denke, in Bezug auf die Versbewegung ist es ganz ähnlich. Später, wenn alle Möglichkeiten, die Grundbewegung abzuwandeln, eingeführt sind (und das werden einige sein), und sich eine Fülle von Wegen auftut, den Satz durch den Vers zu führen; und wenn außerdem, weil es ein „richtiges“ Gedicht werden soll, die Aufmerksamkeit mindestens so stark inhaltlichen Fragen gilt wie denen des Versbaus: dann muss immer noch das Gefühl für die Grundbewegung des Verses da sein, damit der Vers dem Verfasser nicht ausbricht aus dem gesteckten Rahmen, und damit dem Hörer wie der Leserin dieses so wichtige Gefühl von Schlüssigkeit, von Notwendigkeit sich vermittelt und vor allem das, was einen metrisch geregelten Vers an erster Stelle ausmacht, erkennbar bleibt: Das spannungsvolle Wechselspiel zwischen metrischem „Soll“ und rhythmischen „Ist“.

Also.

Wenn der Frosch sich bewegt, ists ein Sprung in den Teich.

… und derlei Verse, soviele eben machbar sind beim Warten auf den Bus, in der Mittagspause, oder wann immer ein, zwei, fünf Minuten drohen, ungenutzt zu verstreichen.

Das Sammeln von Wörtern muss darüber übrigens nicht zum Erliegen kommen … Gerne mehrsilbige, weil sich die beim Schreiben nicht immer einstellen. Also vielleicht tataTAM tataTAM – ein Halbvers mit mindestens einem viersilbigen Wort?!

Das Gemeinschaftsgefühl, ein Verkehrspolizist, die Bearbeitungsfrist (Klatsch, eins auf die Finger; nicht reimen!), der berauschende Wein, penetranter Geruch,  Episodenbeginn, der Gefangenenchor.

Und immer so weiter – ein leeres Blatt Papier findet sich!

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