Die Bewegungsschule (7)

Ein Halbvers besteht aus zwei tataTAM, und in den letzten beiden Einträgen ist das zweite tataTAM durch ein TAMTAM ersetzt worden. Es kann aber selbstredend auch das erste tataTAM ersetzt werden –  das erschließt wieder einige neue Sinneinheiten, einige neue Grundeinheiten der Bewegung!

„Grün“, quakte der Frosch; doch die Ampel war rot.

Grün„, / quakte der Frosch

TAM / TAM ta ta TAM

Die erste Silbe ist eine Sinnsilbe, kann also als einsilbige Sinneinheit für sich stehen; dadurch ergibt sich als zweite Sinneinheit das „TAM ta ta TAM„, eine der schönsten und ausdrucksstärksten Sinneinheiten überhaupt!

Und das Publikum jauchzt: „Flieg, Herrlicher, Flieg!“

„Flieg, Herrlicher, flieg!“

TAM / TAM ta ta / TAM

Hier zeigt sich, das auch die Sinneinheit „TAM ta ta“ möglich ist!

Das ist eine besondere Sinneinheit insofern, als dass es die erste der Grundbewegung des Verses entgegengesetzte Einheit ist. Die grundlegende metrische Einheit des Verses ist das tataTAM, und solche Einheiten „vom Unbetonten zum Betonten“ werden seit jeher als „steigend“ empfunden; die auf dieser Grundeinheit aufbauenden Einheiten sind gleichfalls eher „steigend“ (taTAM, tataTAMta), oder zumindest unentschieden (tataTAMtata). TAMtata dagegen ist „fallend“, „vom Betonten zum Unbetonten“ – wieder eine Möglichkeit mehr, die rhythmische Vielfalt zu vergrößern.

Das „steigende“ Grundmetrum hat auch Auswirkungen auf den Halbvers:

ta ta TAM ta ta TAM

Dass im steigenden Grundmetrum der Schwerpunkt „hinten“ liegt, färbt auf den Halbvers ab, und im allgemeinen ist das erste tataTAM weniger anfällig gegen „Bewegungs-Verunreinigungen“ als das zweite, hintere, in dem die Bewegung klar zum Ausdruck kommen sollte. In (6) wurde zum Beispiel gesagt, dass man aufpassen muss, das zweite tataTAM nicht aus Versehen durch ein TAMTAM zu ersetzen statt durch ein TAMTAM; beim ersten tataTAM sieht das schon anders aus.

„Euphemismus“, das meint: „schönfärberisch Wort“!

Das ginge. „schön-“ und „-fär-“ würden dann in etwa gleichstark betont, eine Art „schwebende Betonung“; ich führe dafür diese Bezeichnung ein: TAMTAM.

„Euphemis– / mus“, das meint: || „schönfär- / berisch Wort„!

ta ta TAM ta / ta TAM || TAM TAM / ta ta TAM

Kann man auch beide tataTAM ersetzen durch TAMTAM? Man kann.

Prinz Klappstuhl kommt an den Graben; er schweigt,
Und sein Schweigen verschmilzt mit der Frösche Gequak

Aus mehreren Gründen keine sehr guten Verse; geich den ersten Halbvers als „TAM TAM TAM / TAM“ zu gestalten heißt ja zum Beispiel, die Grundbewegung des Verses erst einmal nicht zuzulassen?! Ich denke, man kann beide tataTAM ersetzen, sollte damit aber vorsichtig sein …

So! Damit ist der Grundvers vorgestellt, und wer mag, hat spätestens nach diesem Eintrag einen sehr ausdrucksstarken, bewegten Vers zu Verfügung – der darauf wartet, versucht zu werden! Das würde ich auch wirklich vorschlagen und anregen. Hier im Faden wird es aber trotzdem noch weitergehen, denn noch fehlen die „Feinheiten“, die Dinge, die eher die Ausnahme denn die Regel sind. Dazu zählen vor allem:

– Die Zäsur. Die erfolgt in dem allermeisten Versen nach der zweiten metrischen Grundeinheit, aber es gibt Ausnahmen.

– Die Länge der Verse. Es gibt die Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen und an bestimmten Stellen verkürzte Verse zu nutzen!

Dazu kommt noch die Frage, wie sich der Zeilensprung bemerkbar macht, und zwei weitere, seltene Lizenzen bei der Silbenanordnung. Trotzdem: Jetzt ist es an der Zeit, den Vers zu erproben!

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