Der erste hier vorgestellte Text in trochäischen Vierhebern war ein „anakreontisches“ Gedicht von Ludwig Gleim; das ist lange her. Daher hier noch ein solcher Text von Gleim!
Bacchus und Cythere
Soll ich trinken, soll ich küssen?
Hier winkt Bacchus, dort Cythere,
Bacchus mit gesetzten Mienen,
Und Cythere mit verliebten.
Bacchus zeigt mir seine Reben,
Seht, sie sinken schwer von Trauben!
Aber seht nur, dort im Schatten,
Unter Reben, liegt ein Mädchen!
Seht, es schläft und lächelt schlafend,
O, wie süß mag es wohl träumen!
Seht, wie reizend liegt das Mädchen:
Um den weißen, regen Busen
Hangen schwarze, reife Trauben;
Um die rabenschwarzen Locken
Blühen schöne, gold’ne Blumen! –
Weingott, winke nur nicht länger,
Denn ich muss erst bei dem Mädchen
Unter deinen Trauben schlummern!
Das ist inhaltlich ein hübsches Nichts, wie alle diese Texte. Aber wie viele dieser Texte gefällt mir auch dieser, und gibt mir zu denken – einmal, weil es eine lernenswerte Kunst ist, aus „Nichts“ „Etwas“ zu machen, einen Gedanken auseinanderzufalten, ihm Raum, Leben und Bewegung zu geben; und zum anderen, weil auch dieser Text schön zeigt, welche Wirkungsmöglichkeiten der Sprache offenstehen in diesen gereihten, ungereimten trochäischen Vierhebern – es ist wieder das Spiel von Klangwirkungen und Wiederholungen, das den Text nicht langweilig werden lässt?!