Erzählverse: Der trochäische Vierheber (27)

Wo kommen die Geschichten her? Aus den „Gesta Romanorum“, einem sehr berühmten Erzählbuch des Mittelalters! Gut, nicht alle; aber viele. Das hat auch Hugo von Hofmannsthal gewusst, der am Beginn seines Prologs zu „Der Tor und der Tod“ vier Freunde vorstellt – „Der jüngste“, schreibt er,

 

War Andrea: sein Besitztum
War ein großes, altes, dickes
Buch: die „Gesta Romanorum“,
Voll der schönsten alten Märchen
Und phantastischen Geschichten,
Voll antiker Anekdoten
Und aristole’scher Weisheit.
Wer dies Buch hat, braucht die Bibel,
Braucht Scheherasadens Märchen
Und die heiligen Legenden
Nicht zu lesen, nicht den Platon,
Nicht die Kirchenväter, nicht die
Fabeln des Giovan Boccaccio,
Denn das hat er alles drinnen,
Alle Weisheit, alle Narrheit,
Bunt und wundervoll verwoben.

 

Dazu muss ich dann nicht mehr viel sagen; das „Wie“, Hofmannsthals Vierheber, ist wie immer bei ihm nicht zu beanstanden, vollendete Verse ausnahmslos; und das „Was“ unterschreibe ich auch, einfach so: Die „Gesta“ sind eine einmalige Sammlung, die zeigt, wo die alten Geschichten herkommen; und genauso, wo neue Geschichten ihren Ursprung haben können. Wer sie in die Hände bekommt, sollte also unbedingt drin lesen! Wenn nicht gerade Hofmannsthals Prolog dran ist – lesenswert auch der, bis er mit diesen Versen endet:

 

Leise las Andrea ihnen
Eine seltsame gereimte
Kleine Totentanzkomödie.

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