Justus Friedrich Wilhelm Zachariä: „Murner in der Hölle“ (1)
Zachariäs „komisches Epos“ erschien 1757; da war der Hexameter noch niegelnagelneu, Klopstock hatte ihn keine zehn Jahre zuvor in der deutschen Dichtung heimisch gemacht mit den ersten Gesängen seines „Messias“. Dementsprechend klingen die Verse dieser ersten Hexameter-Zeit noch ungehobelt und wenig rund; aber eben auch frisch und unverbraucht. Ich gehe hier die fünf Gesänge einen nach dem anderen durch und gebe aus jedem einige Verse, das sollte einen guten Eindruck ermöglichen?!
Der erste Gesamg beginnt, wie es sich für ein sich auf die Antike berufendes Epos gehört: mit einer Musenanrufung!
Singe, scherzende Muse, die großen heroischen Taten,
Und den kläglichen Tod von einem unsterblichen Kater;
– Womit schon einmal klar ist, was den Leser erwartet. Im weiteren lernt er die „holde Rosaura“ kennen, die in einem alten Schloss wohnt mit ihrem Onkel Raban und einer Zofe; und nicht nur das:
Mit ihr wohnten in einem Gemach zwei gesellige Tiere,
Cyper, ein fleckiger Kater, und ein geschwätziges Papchen,
Eben dieser Kanarienvogel bringt mit seiner Geschwätzigkeit die Geschichte ins Rollen, denn „eine der Furien“ …
Wollte die Oberwelt jetzt mit der finstern Hölle vertauschen,
Und flog, scheußlich und schwarz, auf einer stinkenden Wolke,
Bei Rosaurens Fenster vorbei. Ihr plauderndes Papchen
Saß im drähternen Haus, und rief laut schimpfend: Du Scheusal!
– Nicht die klügste Bemerkung einer Göttin gegenüber?! Die Furie, Alekto, nimmt es auch gleich persönlich und hetzt den schlafenden Kater im Traum gegen das Papchen auf, bis:
Also sagte die höllische Göttin. Der Kater erwachte,
Sah mit funkelnden Augen umher und brüllte nach Blute.
Er springt auf den Käfig des Papen, Raban bemerkt es:
Eben hatte der häusliche Greis den knotigen Dornstock,
Seinen Feldstab, in zitternder Hand; kaum sah er den Kater
Über den Käfig geklammert, so schlug er mit männlichen Kräften
Seiner Nichte Liebling auf’s Haupt. Die grausame Parze
Schnitt sein neunfaches Leben entzwei, und Cyper, entseelet,
Fiel vom Käfig, der Käfig auf ihn, und über den Käfig
Stürzte der Alte; vom donnernden Lärm erbebte das Zimmer!
Das erinnert mich irgendwie an Loriot … Als wieder alle bei Sinnen sind, wird der Tod des Katers tränenreich beklagt:
Und die Zofe heulete lauter: Der arme Cyper!
Und das Fräulein antwortete schluchzend: Der arme Cyper!
Cyper! rufte die Wand, und Cyper! Cyper! der Pape,
Welcher dem Feind im Tode vergab. Die Furie sah es
Voller höllischen Fröhlichkeit an, und stürzte sich zischend
Durch die verdunkelte Luft, und sank in die Fluten des Orkus.
Warum die Furie nun trotz verfehlter Absicht – der Pape lebt noch – so fröhlich ist, hm … Wahrscheinlich eine ganz allgemeine Freude am Unheil?!
Das jedenfalls war der erste Gesang. Zu Zachariäs Hexameter sage ich dann in den folgenden Gesängen etwas; hier nur der Hinweis auf die Inanspruchnahme einer „metrischen Lizenz“, das eigentlich vorgeschriebene „X x x / X x“ des Vers-Schlusses wird durch ein „X x / X x“ ersetzt: „armer Cyper“, in den gezeigten Versen zweimal und kurz davor schon einmal; was sicher eine deutliche Hervorhebung bedeutet.