Erzählverse: Der Blankvers (45)

„Konfetti“ ist ein ziemlich spätes Gedicht von Gottfried Benn, im ersten Band seiner gesammelten Werke (Limes 1968) auf Seite 255 zu finden. Nicht unbedingt ein Erzählgedicht, aber eine Gelegenheit, Benns Blankversen nachzuhören?!

 

Mehr ist sie nicht, mehr bist du nicht – verweile:
auch dieser Stunde – selbst sie mit Besuch,
Geplärr, Angeberei und Formverwaistem –
gibt sich die Welt, hier scheitelt sie sich ein,
mehr hat sie nicht, mehr hast du nicht – verweile!

Natürlich kannst du durch das Fenster
auf das Konfetti sehn, das in den Sträuchern
noch von Silvester hängt und flockig jetzt
zartfarbig pendelt in des Februars
blaustreifig unterkühltem Ahnungslicht,
und dich erweichen lassen von dem Blick
auf Schwärmendes, das in den Frühling geht
vielleichtiger nachfolgender Vergänge
durch Einsamkeit und Gärten schwester Frucht,
durch Glück besonderer Art, nur dir bestimmt,
Gebrochenheiten, wo Rubine spielen,

doch nimm nicht als Gesetz, was Ahnung ist,
auch dieser Sunde – selbst sie mit Besuch –
gib Antwort, Rede wie den Kühen Heu,
das dann im Euter sich als Weißes bringt
im weiten Kreislauf, wo sich dies und das
mit großem Unterschied wohl kaum noch fühlt –

auch ahnst du tiefer, wenn es schnell vergeht.

 

– Und unabhängig von dem, was im Gedicht verhandelt wird: Der Vers geht ruhig seinen Gang, sehr ausgewogen; nur hier und da aufgelockert durch die Freiheiten, die  dem Blankvers seit jeher zugehören: Ein vierhebiger Vers („Natürlich …“), eine doppelt besetzte Senkung („besonderer“), zwei schwebende Betonungen, allerdings in aufeinanderfolgenden Versen: „zartfarbig …“, „blaustreifig …“): das war’s. Trotzdem hat der Text einen eigenen Ton, und ihn ein- oder besser zweimal laut zu lesen: das lohnt sich schon.

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