Johann Heinrich Voß gehörte zu den Verfassern, die ihre Texte nach der ersten Veröffentlichung immer und immer wieder zu verbessern suchen. Oft mit Erfolg! Die drei in (119) angeführten Verse aus der ersten Buchausgabe der „Luise“ zum Beispiel …
Aber es freute sich Karl des schreienden Wassergeflügels
Über dem Holm, und des Hechts, der beglänzt vom Abend emporsprang,
Und wie die Möw‘ hochher auf den Fisch abstürzete rauschend.
… sahen, als sie das erste Mal in einer Zeitschrift gedruckt wurden, noch so aus:
Aber es freute sich Karl des vorübergleitenden Ufers,
Und des Hechts, der vom Abend beglänzt aus dem Wasser emporsprang,
Und wie des Ruders Bild an dem Kahn in der sanften Umwallung
Schlängelte; grüßte dann laut den Wiederhall in des Hügels
Ödem Gemäu’r, liebkost’ ihm und schalt, und lachte der Antwort.
Und da gefällt mir die spätere Fassung deutlich besser: Knapper, mit deutlicher erfahrbareren Ereignissen, und auch sprachlich kräftiger und aufregender (das nachgestellte „rauschend“, etwa)! Und auch der Vers ist rhythmisch sicherer geworden: Aus dem „Und des / Hechts …“, was den Hexameter mit einem sehr schmalbrüstigen, aus zwei „Bauwörtern“ bestehenden Versfuß beginnen lässt, wird „Über dem / Holm“ – da steht zwar auch eine Präposition zu Beginn, aber die ist zweisilbig; und der Versfuß ist dreisilbig, was die mangelnde Sinnschwere der Wörter ein wenig ausgleicht; und die Sinneinheit, der Wortfuß ist ein schöner „Choriambus“, der als Einstieg in einem Hexameter immer gut wirkt! Das „und des / Hechts“ wirkt dagegen viel ungezwungener, da nun sowohl „und“ als auch „den“ in der Senkung stehen und keine Betonung tragen.
„Änderung“ heißt nicht immer „Verbesserung“; aber hier, denke ich, trifft es zu.