In Johann Heinrich Voß‘ berühmter Übersetzung aus dem Jahre 1793 lautet der Beginn von Homers „Ilias“ so:
Singe den Zorn, o Göttin, des Peleiaden Achilleus,
Ihn, der entbrannt den Achaiern unnennbaren Jammer erregte,
Und viel tapfere Seelen der Heldensöhne zum Aïs
Sendete, aber sie selbst zum Raub darstellte den Hunden,
Und dem Gevögel umher. So ward Zeus Wille vollendet:
Seit dem Tag, als erst durch bitteren Zank sich entzweiten
Atreus Sohn, der Herrscher des Volks, und der edle Achilleus.
Einen näheren Blick ist dabei der fünfte Vers wert:
Und dem Ge- / vögel um- / her. || So / ward Zeus / Wille voll- / endet:
— ◡ ◡ / — ◡ ◡ / — || — / — — / — ◡ ◡ / — ◡
Ich weiß nicht, wie gut das als Übersetzung ist, aber in Bezug auf die Versbewegung ist es auffällig: Nach schnellem Beginn eine deutliche Verlangsamung in der Versmitte, im Besonderen nach der Zäsur! Vor kurzem habe ich eine Übersetzung dieses Beginns von Friedrich von Hardenberg, sprich: Novalis gelesen, die zeigt, man kann es noch weiter treiben:
Göttin! Besinge den Zorn des Peleiaden Achilleus,
Ha! Des Verderbers! Der Weh den Griechen die Fülle erregte,
Und dem Ais zu früh viel Seelen der mutigsten Helden
Sendete, aber die Leichen den Hunden zur Beute, den Vögeln
Aber zum Raub hinwarf (so ging Zeus Schluss in Erfüllung),
Seit sich trennten im Hader zuerst der König der Männer,
Atreus trefflicher Spross, und der göttliche Peleiade.
Diese Übersetzung hat Novalis 1789 mit 18 Jahren gemacht. „Ha!“ klingt zwar schwungvoll, aber nicht wirklich homerisch, doch hört man sich den fünften Vers genauer an, stellt man Erstaunliches fest:
Aber zum / Raub hin- / warf || (so / ging Zeus‘ / Schluss in Er- / füllung),
— ◡ ◡ / — — / — || — / — — / — ◡ ◡ / — ◡
Dieser Vers schafft es, noch langsamer und getragener zu klingen als der von Voß! Was ohne Frage an dem zusätzlichen „echten“ Spondeus im zweiten Fuß liegt. Und da auch die anderen zweisilbigen Füße eine sehr schwere zweite Silbe haben, entsteht eben ein lastender Eindruck von großer Nachdrücklichkeit?!