Paul Heyses „Favete linguis“ („Schweigt!“) ist ein Gedicht, das ich nicht mag – als ganzes; einzelnes daraus schon. Die ersten beiden Distichen zum Beispiel:
Da ich ein junger Gesell, wie schalt mich oft die Geliebte,
Wenn ich in Schweigen versank mitten im lachendsten Glück,
Um erst ferne von ihr in beflügeltem Wort zu ergießen
All der Gefühle Gewalt, die mir die Nahe geweckt.
– Schön! Aber, wie sich gleich herausstellen wird, nur die eine Hälfte einer Entsprechung:
So auch wandelt‘ ich stumm vorbei an den holden Gebilden
Südlicher Kunst; erst spät kam das Erlebnis zu Wort.
„Holde Gebilde“?! Hm … Dann aber wieder etwas feines:
Ist doch Denken Erinnern, und Dichten ein inneres Anschaun;
Worte beschwören den Geist, der sich den Sinnen entzog.
Klar, genau und auf den Punkt gesagt! Dahinter aber schließt ein kraftloses, wenig überzeugend gebautes und irgendwie überflüssiges Distichon das Gedicht:
Nachzubeleben entschwundenes Glück vermag die beseelte
Rede; lebend’gem Genuss g’nügt ein verworrenes „Ach“.
Deutschlands erster literarischer Nobelpreisträger hat eine Menge Verse geschrieben; das meiste davon nicht schlecht, aber eben auch nicht besonders gut. Die Verse hier sind ein gutes Beispiel …