Erzählverse: Der Hexameter (162)

Hexameter und Reim

Zwei Größen sind für jeden metrisch geregelten Vers von entscheidender Bedeutung, seine Bewegung und sein Klang; eine dieser Größen ist dabei die Grundlage des Verses, während die andere, obwohl sie für das Gelingen des Verses genauso wichtig ist, sich dienend unterordnet.

Ist, wie im Reimvers, der Klang die Grundgröße: dann achtet der Verfasser zwar auf eine anziehende und abwechslungsreiche Versbewegung, wählt sie aber so, dass sie auf den Gleichklang am Versende hinführt.

Ist, wie im Hexameter, die Bewegung die Grundgröße: so achtet der Verfasser auch auf einen vollen und abwechslungsreichen Klang, will aber mit ihm die Linien der Versbewegung erfahrbar machen.

Daher ist dem Hexameter der Endreim fremd, denn der Reim lenkt die Aufmerksamkeit des Hörers auf den Gleichklang am Schluss des Verses und zieht sie ab von der Grundgröße, der Versbewegung, die am Beginn des Verses einsetzt und dann auf die den Hexameter bestimmenden Art den Versraum durchschwingt.

Trotzdem können, wenn schon nicht Endreime, so doch  Gleichklänge im Hexameter gebraucht werden. Gleich einen dreifachen Gleichklang benutzt Anton Wildgans im Kirbisch (7,72-73), um den Augenblick zu beschreiben, in dem ein zuvor heimlich weitergereichtes Gerücht öffentlich wird:

 

Was das Vöglein gewispert, am hellichten Tage gedieh es
Dort zum staunenden, raunenden, endlich posaunenden Chorus!

 

Neben dem Reim fällt auch die falsche Zäsur nach dem dritten Fuß auf; der Vers ist kaum noch als Hexameter erfahrbar. Auch die Verseingänge sind schwach, und einer davon, „Was das“, ist sogar eine Art Gleichklang; und ja, derlei zu vermeiden lohnt sich!

Verse wie diese beiden sind möglich, aber rar, und sie benötigen immer eine starke inhaltliche Begründung. Im Allgemeinen gilt: Hexameter reimen sich nicht!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert