Erzählverse: Der Hexameter (163)

Josef Magnus Wehners „Herbstelegie“ lässt schon in den Naturschilderungen des Anfangs eine eigene Stimme vernehmen:

 

Öffnest du, bläulicher Herbst, so früh schon die Herbe des Todes?
Tummelnde Wildnis versank, es wächst an die Wolke der Stromleib
Und an den Hügeln verhaucht schon am Mittag die spärliche Goldsprut.
Schicksal, da hüllst du dich auf aus luftverhangnen Gedanken,
Bietest dem Träumenden Zeit und Tod den Schlangen des Wachstums.
Einwärts blindet der Baum, es grast ihm der Wind seine Augen,
Blumen verstrahlen ihr Haupt in die schüchterne Wallung der Wurzel,
Ungeborenen Kindern gleicht Wuchs und Versenkung der Wesen.

 

Schon der Gedanke, eine Elegie nicht wie üblich in Distichen, sondern in reinen Hexametern zu schreiben, ist ja ein Zeichen von Eigenständigkeit! Wie belastbar die ganze Elegie inhaltlich ist, will ich nicht beurteilen; die Verse jedenfalls sind durchgängig sicher gebaut und auch wirkungsvoll, an sich und im Dienste der Aussage. Hier noch einige aus dem Mittelteil:

 

Tote besuchen mich nachts und reden verzauberte Worte,
Wandern und kreisen am Bett, und manche sind friedlich und scheiden,
Manche gebärden sich wild, dem Gepfähle der Erde entbrochen,
Betteln für Odem und Blut mit schwärzlichem Blicke und warten,
Bis ihnen traumhaft rinnt ein fremdes Blut, das ich opfre.
Höret, ich fürchte mich nicht, ihr Toten aus drangvollen Gräbern,
Trag ich doch selber den Tod in Tiefen, die euch noch verhohlen.

 

Hier sind die Versschlüsse weniger gut gestaltet als in den Anfangsversen, aber insgesamt herrscht doch ein Eindruck von Fülle und Kraft vor, der die Verse in ihrer Bewegung durchaus anziehend macht!

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