Im fünften Band von Ricarda Huchs „Gesammelten Werken“, erschienen 1971 bei Kiepenheuer & Witsch, findet sich auf den Seiten 319 und 320 der kurze Hexameter-Text „Einsame Nixe“:
Oft, wenn es dunkelte, hob aus dem Teich sich die reizende Nixe
Halben Leibs; es rieselte sacht von den schilfigen Haaren.
Mondengleich beschien ihre weiße Brust die Gebüsche,
Erlen und Weiden umher, sie leuchteten hell vor den andern,
Und es schimmerten feucht ihre Augen wie Perlen des Meeres.
Nichts bekümmerte sie, die alles von Anfang gesehen.
Wundersam nun erscholl ihre süße, kristallene Stimme
Leicht wie Luft. Und sie sang von den herrlichen Wundern der Schöpfung,
Sang von des Schicksals Gewalt und dem dunklen Geheimnis des Todes.
Bald wie Akkorde der Harfe ertönten die Zaubergesänge,
Bald, wie ihr zärtliches Lied die klagende Nachtigall flötet.
Aber niemand hörte die Einsame; träumerisch lauschte
Nur die heilige Nacht, es lauschten die ewigen Sterne.
Das geht gar nicht, oder? Schon die Adjektive lassen Schlimmes vermuten: „sacht“ (immerhin nicht: „sanft“), „süß“, „zärtlich“, „heilig“, „ewig“ … Dazu treten dann die ganz großen Substantive, „die heilige Nacht“, „die ewigen Sterne“, was die Dinge nicht wirklich besser macht; und wahrscheinlich schließt der Text nicht rein zufällig mit diesen Ausdrücken – noch weiter kann man die Dinge kaum treiben?!
Bloß, dass Huch das wahrscheinlich nicht so gesehen hat. Und auch, dass ich den Text trotzdem mag … Immer dasselbe: Wenn die Hexameter gut sind, ist mir der Rest herzlich gleichgültig. Und das sind sie – die Verse bewegen sich gut (nur der vorletzte ist im Eingang etwas gewöhnungsbedürftig), im Vortrag richtet sich die Aufmerksamkeit auf die ausgeglichene, ruhig fließende Bewegung, und die etwas beliebigen Wörter samt der übergroßen Ausdrücke – alles nicht mehr so wichtig …
Was nicht heißen soll, ich würde so was schreiben, heute; denn eigentlich, siehe oben.