Eduard Belling: Die Metrik Schillers
Ein altes Werk, erschienen 1883 bei Koebner, und daher an vielen Stellen nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit; aber die knapp 350 Seiten enthalten trotzdem noch genug Nachdenkenswertes! Gegenstand der Betrachtung sind die Werke Friedrich Schillers, deren metrischer Aufbau aufs genaueste durchleuchtet wird.
Als Beispiel kann die Verteilung von „männlichen“ (betonte Schluss-Silbe) und „weiblichen“ (unbetonte Schluss-Silbe) Blankversen dienen; dazu sagt Belling, dort, wo die eine Art in beträchtlichem Umfang vorherrsche, entstehe dadurch ein spürbarer Ausdruckswert. Wallensteins Tod hat am Schluss des zweiten Aktes, in der Szene, in der Max und Octavio Piccolomini sich trennen, 57 Blankverse mit weiblichem Ausgang, aber nur 23 mit männlichem; das „passe recht gut zu dem elegischen Ton, der durch die ganze Szene klingt“. Das ist sicher eine Überlegung wert – ich gebe einige Verse, von Max gesprochen, damit man sich ein Bild machen kann:
Oh! wärst du wahr gewesen und gerade,
Nie kam es dahin, alles stünde anders!
Er hätte nicht das Schreckliche getan,
Die Guten hätten Kraft bei ihm behalten,
Nicht in der Schlechten Garn wär‘ er gefallen.
Warum so heimlich, hinterlistig lauernd
Gleich einem Dieb und Diebeshelfer schleichen?
Unsel’ge Falschheit! Mutter alles Bösen!
Du jammerbringende, verderbest uns!
Wahrhaftigkeit, die reine, hätt‘ uns alle,
Die welterhaltende, gerettet. Vater!
Ich kann dich nicht entschuldigen, ich kann’s nicht.
Der Herzog hat mich hintergangen, schrecklich,
Du aber hast viel besser nicht gehandelt.
– Nur zwei männlich endede Verse, so dass die angesprochene Wirkung hier deutlich werden müsste?! Hm. Wer nicht Bellings Meinung ist und den Weg seiner Gedanken für nicht geradlinig hält, kann das immerhin mit Max‘ Vers, der den obigen unmittelbar vorausgeht, zum Ausdruck bringen:
Dein Weg ist krumm, er ist der meine nicht.
Der dann, passenderweise, nicht weiblich, sondern männlich schließt …