In früheren Zeiten hat man sich über das epische Erzählen mit Versen viele Gedanken gemacht. Gustav Freytag etwa hat in „Neue epische Dichtungen auf dem deutschen Büchermarkt“ erst über den dazu passenden Vers nachgedacht – und fast alle Versarten ausgechlossen, zum Beispiel:
Der Hexameter ist einst bei einem fremden Volk aus Klangverhältnissen der Wortsilben entstanden, die wir durch unsere Hebungen und Senkungen nur unvollständig nachahmen können, er macht, wenn seine Schulregeln streng beobachtet werden, den Redegang unvermeidlich steif und geschraubt und er wird durch den trochäischen Fall, den er im Deutschen erhält, bei nachlässiger Behandlung nur zu leicht einförmig. Es gehörte der feine Sprachsinn Goethes dazu, ihn mit Freiheit zu gebrauchen.
Übrig bleibt am Ende noch der fünfhebige Iambus. Freytag:
Er hat am wenigsten Farbe und lässt sich wohl mit den durchsichtigen Lasuren der Malerei vergleichen, welche über jeden Farbenton des Stoffes gezogen werden können. Es sind feine Wirkungen mit ihm hervorzubringen, aber er verlangt eine schöpferische Kraft, welche ihn geschickt dem jedesmaligen Stoff anzupassen weiß. Auch bei ihm sind für einen jungen Dichter Schwierigkeiten zu überwinden; zunächst macht gerade sein durchsichtiger, nie stark in das Ohr fallender Rhythmus eine große Herrschaft über die Sprache nötig. Gerade bei ihm ist die Behandlung der Zäsuren, das Maß der rhythmischen Freiheiten, die Verwendung männlicher oder weiblicher Ausgänge und die Benutzung des Reims von großem Einfluss auf seinen Charakter, und jede Unbehilflichkeit des Dichters, die bei andern Versen eher durch den Klang des Metrums und des Reims überdeckt wird, tritt an ihm unverhüllt zu Tage.
… Da ist was dran! Aber auch über die Art, wie der Vers mit Inhalt gefüllt werden sollte, und mit welchem Inhalt: weiß Freytag zutreffendes anzumerken.
Der Vers ist ein schlechter Überzug für eine Erzählung ohne Interesse, ohne Zusammenhang und logische Folgerichtigkeit. Wer in Versen erzählt, wird auch in der Auswahl der charakterisierenden Momente, durch welche er schildern oder stimmen will, große Sicherheit besitzen müssen, denn ihm stehen verhältnismäßig weniger Momente zu Gebote, als dem Erzähler in Prosa. Ein einzelnes Bild muss oft die Stärke einer leidenschaftlichen Bewegung, zwei, drei kleine Striche vielleicht eine Örtlichkeit, zum Beispiel einen landschaftlichen Hintergrund, lebendig vorführen. Wenn das Gemüt des Dichters das Zweckmäßige hier nicht kräftig empfindet, wird aller Wortreichtum unnütz sein. Der Vers unterstützt in großartiger Weise die Wirkung einer richtig empfundenen Charakteristik, weil er das wahr Empfundene viel vornehmer zu sagen vermag, als der prosaische Satz, aber er wird peinlich, wenn er den Mangel solcher Empfindung durch sein Geklapper ersetzen soll. Und grade sein Klang verführt leicht zur Phrase.
Das Für und Wider der Verserzählung, knapp aber klar auf den Punkt gebracht!